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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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Elsa damals zum letzten Mal. Es war wieder wie ganz am Anfang, ich lag auf der Türschwelle, noch immer von Zweifeln erfüllt, als sie den Gang entlangkam. Diesmal hatte sie keinen Tee, sondern eine Wärmflasche dabei. Ich blieb liegen und wartete, bis sie bei mir war.
    »Es wird Sommer«, sagte ich. »Wozu dieses Ding?«
    »Ich würde sie gerne Ihnen geben«, erwiderte sie, »aber Ihr Herr hat sie bestellt. Vielleicht ist er krank.«
    Ruhig spielte sie unser kleines Spiel, stand geduldig über mir und hielt das Tablett mit dem reich verzierten Porzellangebilde vor sich. Kurz schloss ich die Augen und ließ ihre letzten Worte auf mich wirken. Am liebsten hätte ich diese Frau umarmt, so sehr rührte mich ihre Fürsorglichkeit. Noch immer war ich nicht an das spärliche Licht wie an die Innenräume überhaupt gewöhnt und jetzt schienen sie geradezu Ausdruck meiner Verzweiflung zu sein. Mein Herr hatte seine schützende Hand von mir genommen, mich in die Ungewissheit gestoßen, mich im Grunde verlassen. Ich sah Malik vor mir, der sagte, auch hier habe es etwas zu entdecken gegeben, einen geheimen Plan, der mich immer wieder nur Räuberbanden finden ließ, obwohl ich doch so hartnäckig versuchte ihnen zu entkommen. Jetzt wirst du wieder eine neue brauchen, lachte er, und ich öffnete die Augen.
    Ich fragte Elsa, warum sie so niedergeschlagen sei, und erfuhr, dass Hermann inzwischen fort war. Sie trat andeutungsweise mit dem Fuß auf und sagte gleichzeitig:
    »Von diesem Augenblick an kommt er vielleicht nie wieder. Ich weiß nicht, wie ich mit dem Gedanken leben soll.«
    Etwas von ihrer Traurigkeit wollte ich auf mich ziehen; ich brauchte ein Gefühl. So griff ich nach einem ihrer festen Schnallenschuhe und stellte ihn auf meine Brust, so als ließe ich sie auf mich steigen.
    »Das ist nicht schön, was Sie da machen«, sagte sie traurig.
    »Doch«, erwiderte ich. »Ich bin ein Diener. Und bald bin ich ein wirklicher Diener des Reiches. Dabei würde ich doch gern alles nur für Sie tun.«
    Sie zog den Fuß zurück und beugte sich über mich.
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte sie und klopfte an der Tür.

Der geheime Plan 2

1.
    H ier setzt meine Erinnerung aus. Noch heute bockt und springt sie an dieser Stelle herum wie ein gequälter Esel. Alles, was ich tun kann, ist, einen festen Halt suchen, die Richtung wechseln und auf das schauen, was damals schon wie in einem Brunnen tief in mir versunken schien.
    Ich war von dem Gedanken erfüllt, noch Zeit zu haben, und so wollte ich es nicht glauben, selbst als das Ende deutlich sichtbar vor mir aufflammte, auf mich zuraste und mich mitsamt dem Gedanken einfach auffraß. Es war hell wie ein Blitz und heiß, meine Hände lösten sich von dem Mauerstück, in das gekrallt ich sie eben noch gefühlt hatte, doch ich fiel nicht, denn dazu hätte ich noch da sein müssen.
    Lange später bin ich zu mir gekommen, das Erwachen war schmerzhaft. Nicht die Verwundung machte es mir so schwer, nicht der steif gewordene Verband, unter dem meine Haut glühend heiß war und etwas Flüssiges spüren ließ, von dem ich wünschte, es gehörte nicht zu mir. Der Schmerz war in meinem Kopf. Ich hörte röchelnden Atem, das Kissen drückte in meinen Nacken und als ich kurz die Augen öffnete, sah ich die Zimmerdecke mit Flecken von der Farbe vertrockneten Laubes. Ich versuchte den Kopf in eine bequemere Position zu bringen und spürte unter dem Verband meinen dumpf hämmernden Pulsschlag. Er grub sich tiefer in mich hinein und verschwand in meinem Bauch. Dann begann er seine Wanderung aufs Neue.
    In meinem Kopf aber war der Lärm. Irgendwo tief im Hirn fing er zu wachsen an, schoss auseinander, trat durch alle Öffnungen meines Schädels aus und umgab mich. Ich schmeckte Rauch, der klebrige Dunst von verbranntem Fleisch verschloss jede Pore und nahm mir den Atem. Beim Versuch, mich aufzurichten, fiel ich beinahe aus dem Bett, das Drahtgestell ächzte und wankte unter mir.
    So ließ ich mich zurückfallen, befühlte vorsichtig den Verband und beschloss, die Augen endgültig zu öffnen. Ich wollte sehen, wo ich war, doch die Kaskaden von Explosionen in meinem Kopf ließen nichts von außen Eindringendes zu, sie verhallten nur, um erneut zu ertönen, und dazwischen schienen sie etwas freizugeben, das wie ein Prasseln klang, sackender Schutt und ein Aufprall auf das Straßenpflaster. In Wahrheit aber gab der Lärm nichts frei, sondern riss alles zu sich, um es einzuschließen und verschwinden und

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