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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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sie stoßweise ausatmen, sie kicherte. Und noch immer hielt sie mich umklammert. Ich rührte mich nicht, spürte ihre Brüste an meinem Rücken und ohne Grund schämte ich mich dafür. Ich hätte sie von mir stoßen sollen und doch lag mir nichts ferner. So stand ich nur da, ein weiteres Mal hilflos.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Ephraim, der wieder seine Brille in den langen Fingern hielt, als hätte er sie gerade gefunden.
    »Frag Ezra«, feixte Mirjam.
    »Du bist betrunken«, sagte ihr Bruder rasch.
    »Wovon?«, gab sie zurück.
    Ich bemerkte die Spannung im Raum. Ephraim wirkte gereizt, beherrschte sich aber Ezras wegen.
    »Was willst du nur?«, sagte er leise.
    »Sie will gar nichts«, warf Ezra dazwischen und griff nach dem Arm seiner Schwester.
    Mirjam presste sich noch fester an mich. Noch nie war mir eine Frau so nahegekommen. Augenblicklich erinnerte ich mich an das Bett meiner jungen Tante Zara, in das ich in besonders dunklen Nächten gekrochen war, für den Trost, den ihr warmer Körper mir spendete. Da war ihr süßherber Geruch, der mich sofort ruhig werden ließ. Und da war mein Erstaunen darüber, wie hart die Spitzen ihrer Brüste unter dem Schlafgewand wurden, wenn sie mich an sich drückte. Ich hatte Tante Zara niemals nackt gesehen, und doch kannte ich ihren Körper fast so gut wie der Ehemann, den sie damals noch nicht hatte. Noch heute spüre ich ihre festen Brüste an Wange und Mund so wie damals, wenn ich bei ihr war. Und in Ezras Bar ahnte ich zumindest, warum sie das so beharrlich getan und dabei schwer geatmet hatte, warum im Dämmerlicht nur ihre Lippen glänzend und beschwichtigend lächelnd zu sehen waren, wenn ich verunsichert zu ihr aufblickte.
    Aber bei Tante Zara war ich noch ein Kind, sagte ich mir und bemerkte, wie sich Mirjams Arme langsam von mir lösten. Ephraim fixierte sie noch immer. Erst als sie sich abwandte und wortlos von mir entfernte, widmete er sich wieder seinem Buch, die Brille aber behielt er in der Hand. Ich mochte diesen Gelehrten nicht, bereits sein Anblick war mir unangenehm. Ezra registrierte es und zog mich fort vom Tisch.
    »Er ist ein verfluchter Wichtigtuer«, zischte ich, als wir durch den Raum zu Mirjam hinübergingen.
    »Das sind die doch alle«, brummte Ezra, »was glaubst du denn.«
    Es schmeichelte mir, dass er sich auf meine Seite schlug. Ich beruhigte mich rasch und plötzlich fühlte ich mich sogar wohl.
    Mirjam würdigte uns keines Blickes.
    »Was ist?«, fuhr Ezra sie an. »Wir haben einen Gast. Gerade eben hast du ihn noch umarmt.«
    Ich hielt einen gewissen Abstand zu ihr und tat so, als wäre ich abgelenkt. Jetzt erst fiel mir auf, wie schäbig das Café doch eigentlich war. Ließ man sich nicht vom Halbdunkel täuschen und von der Kleidung der meisten Gäste, dann war die Ähnlichkeit mit einem der vielen Teehäuser in Bagdad nicht zu übersehen. Auffällig hier war nur die große Terrasse. Die Leute saßen dort entspannt an den Tischen, waren ungestört in ihre Gespräche vertieft. Niemand strich bettelnd um die Tische, niemand sammelte ihre glimmenden Zigarettenstummel vom Boden auf. Der Kellner trug zwar ein fleckenloses Hemd, doch war er still und huschte umher wie ein Diener. All das gab dem Ort etwas Exklusives. Ich genoss das und zugleich verunsicherte es mich.
    »Und«, fragte Ezra, »wie gefällt dir die Bar?«
    »Gut«, erwiderte ich und murmelte noch, dass ich mich freute, sie einmal gesehen zu haben.
    Ezra tat überrascht. »Du kommst doch jetzt öfter, oder?«
    Da erst wurde mir klar, wie wenig ich hierherpasste. Ich konnte mir nicht vorstellen, auf meinem Weg durch die Stadt an einem gewöhnlichen Tag ausgerechnet dieses Café zu besuchen. Etwas stimmte nicht daran, und Ezra musste das wissen. Misstrauisch blickte ich zu ihm.
    »Warum so grimmig?«
    Beiläufig zog er seine Schwester zu sich. Sie legte den Kopf schräg und lächelte gekünstelt. Gleich darauf entwand sie sich ihrem Bruder. Offensichtlich hatte sie sein Spiel nun satt, und auch mich zog es fort. Ich wollte allein sein und doch auch in Mirjams Nähe bleiben. So machte ich mich von Ezra los, ließ ihn wortlos stehen und ging auf die Terrasse hinaus.
    Ich spürte den sandigen Pfad unter den Sohlen und folgte ihm in die Dunkelheit. Jetzt erst atmete ich wieder tief ein, mir war, als bräuchte ich alle laue Luft, die mir dieser Sommerabend nur geben konnte. Der Wind bewegte sanft die Kronen der Palmen und in den buschigen Zitronenbäumen raschelte es. Irgendwann

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