Ein weißes Land
legte das unsichtbare Seitengewehr leicht schräg, damit es glatt durch die Wirbel ging, und stieß zu. Jeder Komparse streckte im Moment, da ihn der Stiel berührte, die Zunge heraus und riss die Augen auf, so dass die Gemüsescheiben herunterfielen.
Jetzt gab es kein Halten mehr, etwas an der vermummten Gestalt, die ich abgab, schien die Männer zu reizen. Zwei von ihnen, die noch immer als Frauen verkleidet waren, sprangen auf die Bühne und griffen nach meiner hölzernen Waffe, doch wirkte es eher, als wollten sie mit mir tanzen. Hugo und Willy rissen die Verkleideten zu Boden. Deren haarige nackte Beine zappelten und ihre Tischdeckenröcke gingen in Fetzen. Die Komparsen hatten längst die Köpfe eingezogen und doch schien Hugos Stück nicht enden zu wollen. Schultheiss und Stein erreichten die Bühne, als Hugo den Besen gerade unter den Rock seines Opfers steckte.
»Schluss damit!«, befahl der Doktor. »Sie werden diesen Unsinn sofort beenden.«
Ich stand noch immer vor dem Spalt und wusste nicht, was ich tun sollte. Mich schützte der Verband, denn er gab mir das Gefühl, ein anderer zu sein, jemand, der nicht hier war, sondern all das von außen betrachtete. Nur das Bewusstsein meiner eigenen Monstrosität, wie es manchmal, während des Gelächters, in mir aufgeflackert war, beunruhigte mich. Bevor ich darüber nachdenken konnte, durchzitterte Tanzmusik die rauchgeschwängerte Luft. Jemand hatte das Radio eingeschaltet, um die Gemüter zu beruhigen. Es gelang mehr schlecht als recht, die Musik ließ die Männer nicht zur Ruhe kommen, trieb sie nur, sofern sie gehen konnten, im Saal umher. Jeder hier war verwundet, der Schnaps und die vertrauten Klänge des Weihnachtswunschkonzertes machten es nur noch schlimmer. Ich warf die Lumpen ab und stieg mit hängendem Kopf von der Bühne.
Unten klopften mir die Kameraden auf die Schulter, flößten mir Schnaps ein und gratulierten zu der Vorstellung, als hätte ihnen meine Darbietung etwas bedeutet. Ich bedankte mich und war doch sicher, dass sie verwirrt waren, da viele noch immer nicht begriffen hatten, dass mein Verband nicht zum Kostüm gehörte.
Ganz allmählich legte sich die Stimmung, man konnte sogar den Geschützdonner in der Ferne hören. Das Licht war jetzt gedämpft worden und die Krankenschwestern tanzten mit den Soldaten, die dazu in der Lage waren. Sie gewährten jedem ein paar Runden und wechselten dann den Partner, damit so viele wie möglich drankamen. Die stehen gelassenen Männer schauten drein, als wären sie verlassen worden.
Allmählich wurde mir das Gewimmel lästig und so bewegte ich mich langsam zwischen den am Boden Liegenden hindurch und an kreisenden Paaren vorbei in Richtung Ausgang. Obwohl ich nur ein paar hastige Schlucke davon bekommen hatte, stieg mir der Schnaps zu Kopf. Schwankend stützte ich mich im Türrahmen ab, als Katharina meinen Arm fasste und mich in den Korridor zog.
»Willst du schon gehen, unheimlicher Mann?«, fragte sie lachend und begann mit mir zu tanzen, schob mich umher und drehte sich mit mir.
Ich sah sie wie durch ein Helmvisier, und auch als ich sie an mich zog, war ihr Geruch alles, was ich von ihr bekommen konnte. Der Operettenwalzer schien kein Ende nehmen zu wollen, mir wurde schwindlig und ich schnaufte vor ungewohnter Anstrengung. So nah, wie ich sie bei mir hielt, spürte ich plötzlich jeden Muskel ihres Schenkels zwischen den Beinen und während sie es ignorierte und mit ihren heute rot geschminkten Lippen vor meinem Visier unhörbare Worte formte, erwachte meine Gier nach dem, was ich nicht haben konnte. Sie wurde mit jedem Takt des müde, fast gequält ausklingenden Walzers stärker.
»Was tust du?«, sprach sie in das letzte oder vorletzte Winseln der Streicher hinein.
Da hatte ich meinen Schwanz schon in der Hand und rieb ihn, so fest ich konnte, an ihrem nach Schweiß und Karbol riechenden Baumwollkleid. Mit den jaulend verklingenden Geigen war ich fertig und ließ mich von ihr fortstoßen wie ein wahres Ungeheuer, schlaff und dumpf keuchend vor Befriedigung, um mich blickend, aufgeschreckt von noch immer nur halbherzig empfundener Scham.
»Was für Schweine ihr seid«, sagte sie nur und eilte zu den alten Schultoiletten.
Auch für mich war die Feier beendet. Ich erinnere mich an die dumpfen Stimmen, die ich den Rest des Abends hörte, als wären hinter jeder Wand und Tür des Gebäudes Leute versteckt; Murmeln und Gelächter wechselten sich ab und manchmal schrie jemand auf. Ich lag
Weitere Kostenlose Bücher