Ein weißes Land
zurückgelassen hatte. Erleichtert ließ ich mich hineinfallen und ruhte kurz aus. Ich starrte in den Nachthimmel hinauf und bemerkte, dass die Sterne viel heller als sonst leuchteten. Doch ihr Licht war kalt. Salven von Schüssen ließen mich hochschrecken und nach dem Paddel greifen. Trotz der Müdigkeit war ich hellwach, versuchte sogar auszumachen, woher genau die Schüsse kamen. Von nun an konnte ich nur noch auf mein Glück hoffen.
Angestrengt suchte ich mich zu orientieren. Das Gebäude der Britischen Botschaft glitt langsam vorüber. Es hatte nichts mehr von der einstigen Pracht, unbeleuchtet und grau lag es wie eingesunken zwischen den drohend schwarzen Baumkronen. Ich dachte an die englische Frau und die Polinnen und fragte mich, was aus ihnen werden würde. Schon dieser gerade beginnende Tag würde es zeigen.
So leise wie möglich stieß ich das Ruder ins Wasser und wagte nicht einmal zu husten. Irgendeiner der auf den Häusern verteilten Posten konnte auf die Idee kommen, mich unter Feuer zu nehmen. Doch die erzwungene Ruhe tat mir auch wohl, ich atmete wieder gleichmäßig und mein Schweiß trocknete allmählich.
Als ich die richtige Stelle erreicht zu haben meinte, legte ich an und sprang aus dem Boot. Diesmal befestigte ich es sorgfältig und prägte mir den Ort so gut wie möglich ein, bevor ich mich durch das Unterholz zu kämpfen begann.
Schon war ich im Zweifel, ob ich mich nicht doch verirrt hatte, da traf mich ein Schlag am Kopf und warf mich zu Boden. Ich erwachte in Maliks neuem Lager, Abdel stand, eine schaukelnde Lampe in der Hand, über mir und grinste, sein hellgrauer Bart war dicht wie Filz. Er sagte kein Wort, zog mich auf die Beine und brachte mich in Maliks Verschlag aus Schilf.
Der Kletterer hockte auf seinem Strohlager vor einer Schüssel und war gerade dabei, sich zu rasieren. Mit dem Messer bedeutete er Abdel, zu verschwinden.
»Wo kommst du her?«, fragte er, ohne aufzuschauen. »Abdel hätte dich beinahe umgebracht.«
»Vom Offiziersclub«, antwortete ich, rieb mir die schmerzende Beule am Kopf und dachte verzweifelt nach.
Um Malik in Sicherheit zu wiegen, durfte ich ihn nicht belügen, außerdem musste ich Zeit gewinnen.
»Hast du Nidal getroffen?«
»Ja. Er will dich umbringen.«
Malik gab ein Zischen von sich und rasierte sich weiter.
»Hat er auch gesagt, wann?«
»Nein. Aber wahrscheinlich hält er die Situation gerade für günstig.«
»Was tut er sonst so?«
»Er bereitet sich auf das Chaos vor.«
Malik legte das Messer beiseite, wusch sich das Gesicht und stellte die Schüssel fort.
»Was macht der Krieg gegen die Briten?«
»Wir haben verloren.«
Malik nickte. »Das war zu erwarten. – Warum ist deine Hose rot?«
Ich erklärte es ihm und dabei kam mir die rettende Idee.
»Sie wollen die Juden angreifen«, sagte ich. »Das ist unsere Gelegenheit.«
»Was meinst du?«
»Du erinnerst dich doch an die Golan-Familie, das große Haus, du hast mir dort das Klettern beigebracht. Wir könnten sie besuchen. Sie sind reich, ich weiß es. Sie werden ganz allein sein, niemand wird ihnen helfen.«
Langsam erhob sich der Dieb, griff nach dem Rasiermesser und kam zu mir. Die aufgehende Sonne tauchte den engen Verschlag in rotes Licht, das mild war und unheimlich zugleich. Malik hockte vor mir und legte mir die Klinge des Messers auf die Hand.
»Schau in mein totes Auge«, flüsterte er, »und sage mir, ob sich Nidal das ausgedacht hat.«
Ich rührte mich nicht, wusste, dass dies der Moment war, von dem alles abhing. Wenn mir Malik jetzt nicht glaubte, war ich ein toter Mann. Eine ungeahnte Kaltblütigkeit ließ mich dem Blick des anderen standhalten.
»Nidal will dich umbringen, ich habe es dir gesagt. Er weiß nur noch nicht, wann.«
»Und du wirst es ihm sagen, nicht wahr? Deshalb bist du hier.«
»Nein, wie sollte ich das tun? Du wirst mich nicht mehr fortlassen.«
Mir war klar, dass ich Nidal nicht mehr würde informieren können. Und doch gab es noch eine einzige Chance – nur das Glück musste auf meiner Seite sein.
Malik betrachtete mich misstrauisch. Offensichtlich spielte er jede Möglichkeit durch. Schließlich erhob er sich.
»Ganz recht, du wirst in meiner Nähe bleiben.«
»Ich weiß nicht, ob sie im Haus sind«, sagte ich ruhig.
»Es herrscht Ausgangssperre.«
»Vielleicht sind sie bei Verwandten untergetaucht. Aber wir können das herausfinden.«
Malik nickte stumm. Meine Anspannung löste sich, ich gähnte und streckte mich.
»Du
Weitere Kostenlose Bücher