Ein weites Feld
vom Revoluzzer zu Manteuffels Agent gemausert haben und als Skribifax von einem Journal zum anderen, von der Dresdner zur Kreuzzeitung und aus deren Spalten zur Vossischen gewechselt sind oder ob Ihr Fräulein Tochter Rot gegen Schwarz tauscht, das nimmt sich nix. Außerdem sind wir sicher, daß Ihre Mete allenfalls ne Katholikin mit Abstrichen sein wird, wie sie als Betschwester des Marxismus-Leninismus nur mäßig gläubig gewesen ist. Kenne ja ihre Kaderakte. Immerzu Zweifel … Doch nun wird nicht mehr gefackelt, Fonty. Ob mit oder ohne Weihwasser: Die Hochzeit steht vor der Tür!«
Keine Ausrede half: Es war soweit. Er hatte noch einmal, um Zeit zu gewinnen, die Verstecke der Kinderjahre im Swinemünder Dachgebälk und in der gespenstisch von einem Talglicht erhellten Schwärze des Neuruppiner Kohlenkellers ausfindig gemacht, um von beiden Zufluchten aus die »existentielle Notwendigkeit des kindlichen Verstecks« zu beschwören, war dann auf die abgebrochene und die linear fortgesetzte Gymnasialzeit gekommen, wobei er den einen und den anderen Schuldirektor im Rahmen eines Doppelportraits vorstellte, und fand dann, nachdem er die Friedrichswerdersche Gewerbeschule als eher lästiges Pensum abgehakt hatte, einen langen Schlußabsatz breit zum in Bronze gegossenen Denkmal, das mehr dem ruhenden und ins märkische Land schauenden Wanderer als dem Romanautor gewidmet wurde, als es am 8. Juni 1907 mit viel Trara, Lobreden und Deklamationen zur festlichen Einweihung kam. Fonty sah sich vor, hinter dem Denkmal stehen und um das Denkmal herumlaufen. Mal beschattete ihn die Bronze, mal fiel sein Schatten auf den steinernen Sockel. Sein Bleistift schrieb von allerfrühesten Begegnungen mit der Unsterblichkeit, vom »heiligen Schauer«, den er verspürte, als er, an der Hand des Vaters, auf die »ewigen Werte der Dichtkunst« eingeschworen wurde. Er schloß seine Erinnerungen, denen mittlerweile ein Honorar sicher und ein Vortragspult versprochen war, mit dem Geständnis: »So bin ich seit frühesten Kinderjahren ganz eins mit ihm, der als metallener Guß in Neuruppin auf der Steinbank sitzt.« Danach gönnte er sich nur noch ein kurzes Auf und Ab über die Teppichbrücke, griff dann nach Hut und Stock. Draußen wartete auf ihn mit trockener Hitze der August. Fonty gehörte wieder der Welt an; doch durfte er anfangs nur in Begleitung ausgehen.
Nach dreimaligem Umrunden des Kollwitzplatzes fand das Gespräch mit Hoftaller unter einem Sonnenschirm statt. Sie saßen in der Husemannstraße vor dem seit Mitte der achtziger Jahre mitsamt der Straßenfront restaurierten »Café Bistro« und tranken – Hoftaller ein Schultheiß, Fonty ein Glas Medoc. Häuserfassaden wie aus dem Bilderbuch. Kulissen, die errichtet wurden, um sich und andere zu täuschen. Manchmal streunten westliche Touristen vorbei. Man bestaunte die von der 750 Jahrfeier Berlins gebliebene Vorspiegelung. Alteingesessene ließen sich hier kaum blicken. Mit seinem Tagundnachtschatten kam sich Fonty wie ausgestellt vor.
Als ihm das versprochene Werkhonorar, fünfhundert Mark, in der immer noch neu anmutenden Währung bar auf die Hand ausgezahlt wurde, beschloß er, die runde Summe nicht wie sein Restvermögen, das er als Fluchtreserve wertete, zur Dresdner Bank in die Dimitroffstraße zu tragen, sondern den seiner Genesung abgezweigten Gewinn in das Hochzeitsessen zu stecken. Im Verlauf der anfangs entspannten Plauderei sagte er zu Hoftaller: »Bleibe dabei: Französischer Dom ist besser als Hedwigskirche. Aber wenn es denn unbedingt katholisch über die Bühne muß, will ich mir was einfallen lassen. Hab ja ein Faible, nicht unbedingt für Schwarzröcke, aber für Weihrauch und Kerzenschimmer schon und für die Gottesmutter sowieso. Was wäre aus Effi ohne die vom finstersten Glauben geschlagene Magd Roswitha geworden, die treu zu ihr hielt, als alle, selbst Briest samt Frau, von ihr abfielen? Auf das Katholische ist wie auf die Hölle Verlaß. Sollte Ihnen einleuchten, Tallhover. Sind nicht sogar Sie, wenn ich mich recht bedenke, von der päpstlichen Fraktion, wie – na, Sie wissen schon – dieser Polizeirat Reiff aus ›L’Adultera‹?« Fonty genoß seinen Winkelzug um drei Ecken. Und Hoftaller räumte zuerst verlegen, dann aber mit Bekennerfreude ein, daß er seine frühesten Berufserfahrungen in Beichtstühlen gesammelt habe. Er zündete eine seiner Kubanischen an, machte ein Kaplansgesicht, glänzte wie gesalbt und erinnerte sich, nun schon
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