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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Gaststätte »Offenbach-Stuben«, kannte, desgleichen den Wirt, dem es zu Zeiten des Arbeiter-und Bauern-Staates gelungen war, der noch ungebrochenen Machtfülle der führenden Genossen die private Einrichtung eines Restaurants abzuhandeln; Bühnenkünstler der Komischen Oper und vom Metropol-Theater sollen behilflich gewesen sein, als es darum ging, die üblichen Schikanen der Behörden ein wenig zu mildern. So hingen denn überall Kostümentwürfe zu Offenbachs Opern an den Wänden, etwa zu Felsensteins »Blaubart«-Inszenierung. Fonty erinnerte sich, daß Ende der fünfziger Jahre »Hoffmanns Erzählungen« und später im Metropol »Die schöne Helena« sowie »Die keusche Susanne« zur Aufführung gekommen waren. Davon zehrten die Offenbach-Stuben. Der Wirt klagte ein wenig über die neuerdings sprunghaft steigende Miete und über das Ausbleiben vormals zahlungskräftiger Stammgäste. Fonty genehmigte sich an der Theke einen Calvados und gab die Wortspiele eines altgedienten Kellners witzig zurück. Auf die Frage »Was Neues in der Feder?« antwortete er: »Es ließe sich von jedem Tage ein Buch schreiben!« Und erst, als der Wirt ihm auf Wunsch die Speisekarte vorlegte, kam er auf »Metes Hochzeit«, indem er den Satz jung gefreit, hat niemand gereut« einfach ins Gegenteil kehrte: »So ist es mindestens genauso richtig. Das ist das gewöhnliche Schicksal solcher Sätze.« Wie nach plötzlich gefaßtem Entschluß reservierte er im sogenannten Musikzimmer, dessen Wandschmuck aus etlichen alten Instrumenten – Mandolinen, Bratschen, Geigen -bestand, einen Tisch für zwölf Personen, und zwar zum 5. September, mittags; denn gleich nach der kirchlichen Trauung sollten hier die Hochzeitsgäste mit dem Brautpaar als geschlossene Gesellschaft tafeln. Zugleich bestellte Fonty das Menü: drei Gänge. Er wollte sich nicht lumpen lassen. Wenn er schon den Wunsch seines zukünftigen Schwiegersohns nach einem »guten Italiener« unterlief, durfte in Offenbachs Stuben an nichts gespart werden. Als er ging, summte er vor sich hin: »Als ich noch Prinz war von Arkadien …«
Mit dieser gerade noch rechtzeitigen Entscheidung praktischer Natur, die nicht frei von Eigensinn war, soll noch einmal betont werden, daß Fonty durchaus als Wuttke zu handeln verstand. Wenn wir ihn im Archiv ausschließlich als Fonty erlebten, heißt das nicht, er habe andernorts, etwa als Aktenbote im Haus der Ministerien, nur diese eine, ihm vorgeschriebene Rolle gespielt; vielmehr trat er besonders dort als Theo Wuttke auf und legte Wert darauf, so genannt zu werden. Desgleichen hat er zu Zeiten der Arbeiter- und Bauern-Macht seine politische Meinung direkt als »Herr Wuttke« vertreten und die offizielle Parteilinie allenfalls als Fonty relativiert. So war er von Anfang an ein Befürworter der Bodenreform – Junkerland in Bauernhand« –, hat aber die Zwangskollektivierung als »staatliches Bauernlegen« mißbilligt. Und als nach dem Mauerbau seine drei Söhne im Westen blieben, traf ihn dieser Verlust mehr als Wuttke denn als Fonty. Deshalb hat ihn die Weigerung seines zweitältesten Sohnes Teddy – Georg, der älteste, war 78 infolge eines Blinddarmdurchbruchs gestorben –, er werde auf keinen Fall zur Hochzeit seiner Schwester kommen, zuallererst als Familienvater verletzt; daran konnte die Zusage des jüngsten Sohnes Friedel nichts ändern.
Anfangs schaute Fonty dem katholischen Zeremoniell in der Hedwigskirche noch neugierig als Theo Wuttke zu, dann aber war er, als kein Weihrauchfaß geschwenkt, nichts Lateinisches geboten wurde und alle früher üblichen Mysterien ausgespart blieben, als Fonty enttäuscht. Später hat er bei Tisch gesagt, ihm habe jener »sinnbetörende Hokuspokus« gefehlt, der in des Unsterblichen Roman »Graf Petöfy« bis in die letzte Zeile hinein spuke, wo die Madonna aus der Nische der nunmehr verwitweten Gräfin Franziska himmlischen Schutz verspreche, wenngleich diese beim Konvertieren ohne Eile gewesen sei, ganz anders als seine Tochter, die ohne Zögern zuerst der alleinseligmachenden Partei das Verlöbnis aufgekündigt und alsdann der alleinseligmachenden Kirche das Glaubensbekenntnis nachgesprochen habe: »Aber so ist sie nun mal, meine Mete, immer kolossal überzeugt. Doch gleich, nach welcher Fasson geheiratet wird, Hauptsache, das ja stimmt.«

14 Marthas Hochzeit
    Beide gaben ihr Jawort deutlich. Durch mich vertreten, waren wir vom Archiv weit mehr beeindruckt als der Brautvater, der sich wunder was von

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