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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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einem leid tun die arme Frau, die sich der Alte angelacht hatte. Gundula hieß sie, so ne kleine pummelige, die nie nen Mucks gesagt oder sich groß beklagt hat. Gott, mit ihr war der Alte ja freundlich: Gundelchen hier, Gundelchen da. Denn reden konnt der. Immer seine Sozisprüche gekloppt, Weltverbesserung und so. Ziemlich wirr alles. Aber der Garten tipptopp. Hat uns Salatgurken und Blumenkohl mitgegeben und jedesmal ein Karnickel, manchmal auch zwei frisch geschlachtet und abgezogen, weil wir bei uns sowas nich kriegten. Gab ja rein gar nischt, kaum bißchen Gemüse, weil bei uns – aber das wissen Sie ja – diese ewige Knapserei, weshalb ich dem Alten hätt dankbar sein müssen. Richtig wien Kavalier konnt der sein, wie mein Wuttke och manchmal, besonders mit Fräuleins. Und genauso der Vater von seinem Einundalles, der muß och son Schönredner gewesen sein. Nur ihre Frauen haben nischt zu lachen gehabt, alle beide nich. Wenn ich aber zu meinem Wuttke sag: ›Also das geht nich, daß dem seine Emilie genauso schlecht wegkommt wie die arme Luise von deinem Papa, die och nu schon lange unter der Erde is. Was haben die aushalten gemußt und beide ihre Last gehabt, die eine mit dem ewigen Schuldenmacher und Pumpgenie und die andere mit dem Großkotz, der eigentlich ein Säufer war, und zwar ein heimlicher, was die Schlimmsten sind. Aber daß dein Vater davon ne kaputte Leber gekriegt hat, davon steht bei dir kein Sterbenswörtchen geschrieben, nur immer wie gütig, wie weise, wie liebenswert alle beide …‹ Dann sagt mein Wuttke: ›Laß man, Emilie, das verstehst du nicht. Was wirklich ist, klebt nicht an der Oberfläche. Das steckt tiefer drin.‹ Und ich sag denn: ›Weiß ich, weiß ich schon lang. Doch was bei mir drinsteckt, da fragt keiner nach. Immer nur deine Emilien. Lauter Emilien. Und wenn deine Emmi, nach der keiner fragt, die immer nur tippen muß, nich auf fein Taufschein Emilie eingetragen gehabt hätt, wär ich dir schnuppe gewesen womöglich …‹ Aber Sie wissen ja, daß die andre genau wie ich alles hat abschreiben gemußt, nur viel mehr noch: all die Kriegsschmöker und Romane und obendrein diese Wanderungen, alle. Kenn ja das meiste, gefällt mir aber nich. Zuviel Gerede und jedes Schloß klitzeklein beschrieben, och wenn es ne Bruchbude is. Doch wenn was passiert, Ehebruch oder son richtiges Duell mit Pistolen, und es spannend wird, hört er auf oder macht nen neuen Abschnitt mit Spaziergänge und schon wieder Gerede. Aber mein Wuttke sagt immer: ›Das ist das Besondre. Die Kunst des Weglassens …‹ Na schön! Aber dann hätt er sich selber ein Beispiel nehmen sollen bei seinem Vortrag, den er ja doch nich halten wird können, weil kein Kulturbund mehr da is und zahlt. Deshalb drängel ich immerzu: ›Nu is genug. Man muß aufhören, wenn genug is. Außerdem gibt es uns noch. Kümmer dich endlich um deine Tochter, och wenn du dagegen bist, daß sie katholisch is nu.‹ Mir paßt das ja och nich. Ich sag Ihnen: Das is genau wie damals, als unsere Martha freiwillig inne Partei reingegangen is, erst als Kandidat und dann richtig. ›Aufgeopfert hat sie sich für uns, besonders für dich, Wuttke‹, hab ich gesagt, ›weil du unten durch warst bei den Bonzen da oben. Als unsre Jungs alle im Westen geblieben sind, warst du schuld, haben die gesagt, weil sie in Hamburg bei deiner Schwester … Und unser Georg, was ja das Schlimmste war, inne Wehrmacht drüben, weil er hat unbedingt Flieger werden gewollt … Aber das is nu vorbei alles. Kümmer dich endlich, damit unsre Martha nich rumhängt und sich verkriecht in ihr Zimmer, wo sie vor sich hin heult, weil du kein bißchen an ihre Hochzeit denkst, nur immer an dein Einundalles …
    Martha Wuttke, die für Fonty Mete hieß und bald nach ihrem Ehemann heißen sollte, war zwar von ihrer Spielart der Nervenschwäche genesen, gab aber dennoch zu Hause den Trauerkloß ab, indem sie ihr Leid aus der Küche in ihr ältlich verwohntes Jungmädchenzimmer schleppte, um es von dort, wo neuerdings Photos und Andenken aus FDJZeiten zur Seite geräumt waren und ein zum Hausaltar dekoriertes Tischchen um Andacht warb, wieder in die Küche zu tragen. Außerdem hielten die Sommerferien an. Nichts konnte sie ablenken, kein Ärger mit dem neuen, lupenrein Parteilosen Direktor, kein Unterricht in elementarer Mathematik, einem Lehrfach, dessen Glaubensferne nur zweifelsfreie Beurteilungen, richtig oder falsch zuließ. Sie galt als tüchtige und -abgesehen vom

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