Ein weites Feld
Briest‹-Erstausgabe, die Friedel anno 95 verlegt hat … Sehen schlimm aus, die Buchrücken … Hätte die Tagebücher gerne, besonders die Londoner Kladde … Nun aber los, Tallhover! Trödeln Sie nicht so lange. Die Gäste warten auf uns.«
Zum Schluß der Hochzeitsfeier hätte es beinahe doch noch Streit gegeben. Heinz-Martin Grundmann, der mehrere Cognac gekippt hatte, wurde laut und wollte unbedingt zahlen: »Sofort und für alles!« Schon wedelte er mit der Kreditkarte und nahm den Wirt in Beschlag: »Und zwar die gesamte Rechnung, mit Datum und Stempel!« Als der Brautvater Einspruch erhob – »Das hier ist meine Sache!« –, gab sich der Bräutigam beleidigt: »Also, mein lieber Schwiegervater, was soll das? Verstehe ja, daß Sie gerne … Aber für mich ist das ein Klacks sozusagen …«
»Der Brautvater zahlt!«
»Machen wir doch bitte keine Affäre daraus …« »Abgemacht ist abgemacht.«
»Aber in schweren Zeiten wie diesen sollten die alten Spielregeln nicht …«
»Schwere Zeiten gibt’s immer, meine Mete jedoch heiratet nur einmal …«
»Nun bin ich aber beleidigt. Drei Gänge, was ist das schon. Trifft ja keinen Armen …« Fonty, der nun bestimmt, aber nicht laut wurde, beendete den prinzipiellen Handel: »Das hier ist Ehrensache. Oder will sich mein Schwiegersohn etwa mit mir duellieren?« Nachdem er dem Wirt, der fein lächelnd zuhörte, einen Wink gegeben hatte, war ihm die Rechnung sicher. Schnell versöhnt legte er den Arm um des rundlichen Bauunternehmers Schulter und erklärte ihm, ein wenig von oben herab, daß er nach längerer Krankheit wieder den Bleistift habe spielen lassen und nun seine wie des Unsterblichen Kinderjahre auf gut dreißig Blatt stünden: »Mit Hilfe meiner Emilie natürlich, die seit jeher alles in Reinschrift bringt. Trug mir ein ordentliches Werkhonorar ein. Bin wieder flüssig. Soll noch mehr werden, wenn es zum Vortrag kommt. Außerdem wird Friedel, obgleich sein Verlagsprogramm mehr zu Traktaten hin tendiert, demnächst ein Bändchen herausbringen, in dem auch dieser Vortrag leicht gekürzt Platz finden könnte. Das Ganze ist zwar mehr hingeplaudert als für den Druck geschrieben, dennoch, sowas findet Leser. Nichts Großes, nur was von uns bleibt: Erinnerungen, einige Narben, Gerüche, bunt kolorierte Bildchen. Dann wieder Fox tönende Wochenschau. Auch Tränen. Der Mutter strafende Hand, des Vaters Reden bei Tisch. Später gehts um Schweine- und Karnickelzucht. Und immer wieder der See, die Schinkelkirche, die brennenden Scheunen vorm Rheinsberger Tor. Das Denkmal, die sitzende Bronze. Fängt übrigens alles in Neuruppin an.«
DRITTES BUCH
16 Nach Stralsund und weiter
Seine Sommerfrischen, Bäderreisen, Zufluchten in mittlerer Preislage; nicht immer standesgemäß, doch stets mit Manuskript im Gepäck: wiederholt liegengebliebene Novellen, bestellte Aufsätze für Rodenberg, erste Korrekturbögen. Wir lesen Klagen über muffige Zimmer, spät polternde Gäste, kläffende Hunde, das Wetter. Von überall her richtet er Briefe an Verleger, Redakteure und Freunde wie Hertz, Stephany und Friedlaender; wenn er allein verreist ist, an Frau und Tochter: »Es geht mir hier gut, wie unberufen immer, wenn ich Berlin den Rücken kehre …« Kurz bevor seine Novelle »Schach von Wuthenow«, die er bald nach der Drucklegung des ersten Romans entworfen hatte, ab Juli 82 in der Vossischen Zeitung vorabgedruckt wird, gibt er aus Thale am Harz seinem Sohn Theodor Bescheid, dessen Prinzipienreiterei ihn schon oft, besonders aber auf politischem Feld in Position gebracht hatte: »Die Elsässer gehörten zweihundert Jahre lang zu Frankreich, und wenn sie nun schließlich sagen: ›Erwin von Steinbach hin, Erwin von Steinbach her, die Franzosen gefallen uns besser als die Deutschen‹, so ist nicht viel dagegen zu sagen …« Im August 1883 beendete der Dreiundsechzigjährige auf Norderney nach »L’Adultera« einen weiteren Ehebruchroman, »Graf Petöfy«. Von dort aus schreibt er an Emilie: »Du beklagst Dich über meine Weitschweifigkeit. Die Weitschweifigkeit aber, die ich übe, hängt doch durchaus auch mit meinen literarischen Vorzügen zusammen. Ich behandle das Kleine mit derselben Liebe wie das Große …« Für anderer Leute Leiden wußte er Rat: »Wenn man die Gicht hat, ist Berlin besser als Krummhübel«, doch ihn zog es wiederholt und oft »nervenpleite« ins Riesengebirge. Von dort aus, wo er die Vorarbeit zu einem Manuskript unter dem Titel »Quitt« nach
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