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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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auszusprechen, und zwar zum neuen Lebensabschnitt, falls es sowas gibt. Ist nur ne kleine Aufmerksamkeit …« Marthas Glück war verbraucht, ihre momentane Schönheit dahin. Verkniffen wirkte sie, schaute mürrisch drein, zupfte kurz an der seidig schimmernden Schleife, widerstand aber der Versuchung, das rote Band zu lösen, brachte gerade noch ein »Danke« über die Lippen und zerrte dann am Ringfinger ihrer rechten Hand, als wäre ihr der neuglänzende Schmuck schon jetzt lästig. Hoftaller mischte sich wieder unter die Gäste, nahm deren Geplauder auf und sprach sogar einige Worte mit Friedel Wuttke, der gerade begonnen hatte, den ungeschlachten Priester zu missionieren. Einmal nahm mich Fonty beiseite: »Schreibt, was ihr wollt, aber stutzt mir den Grundmann nicht zur Karikatur. Immerhin ist er bis zum Schwarzen Meer gelaufen, um sich meine Mete zu angeln …« So ermahnt, antwortete ich mit des Bräutigams »Verstehe!« Später unterhielt mich die Studentin Martina, die an einem Gläschen Amaretto nippte und dabei amüsant von Amsterdams speziellen Freiheiten erzählte.
    Wir vom Archiv haben gerätselt. Hoftallers viereckiges Mitbringsel regte Vermutungen an. Einer der Mitarbeiter tippte auf den »Schott«, jenes katholische Meßbuch, das mir zur ersten Kommunion auf den Geschenktisch gelegt worden war. Ein anderer traute Hoftaller die Geschmacklosigkeit zu, der Braut ein Buch mit dem Titel »Troika« zugemutet zu haben, dessen Autor zur Spitze der Staatssicherheit gehört hatte und nun mit »Erinnerungen« auf den Markt ging. Eine der Kolleginnen frotzelte: »Vielleicht hat er ihr ein Paar rote Socken verehrt.« Ich blieb bei meinem Verdacht: »Ach was, das Päckchen war flach. Mit einer harmlosen Pralinenschachtel wird er sich in Unkosten gestürzt haben«, bis Fonty uns, anläßlich eines Archivbesuchs, fast übertrieben gutgelaunt aufklärte. Gegen Schluß der Hochzeitsfeier habe er einem dringlichen Bedürfnis nachgeben müssen. Sofort sei ihm Hoftaller hinterdrein gewesen, offenbar dem gleichen Drang folgend. Beim Wasserlassen, das bei alten Männern naturgemäß Zeit benötige, habe ein Gespräch begonnen, das von Hoftaller, den man sich vorm benachbarten Toilettenbecken vorstellen möge, gleich zu Beginn der gemeinsamen Erleichterung eröffnet worden sei; wie bekannt, komme sein Tagundnachtschatten ja immer ohne Umstände zur Sache, diesmal sein ominöses Päckchen betreffend: »Habe mir erlaubt, der verehelichten Frau Grundmann das Relikt ihrer Parteizugehörigkeit, nämlich ne abgeschlossene Kaderakte, zu schenken, mit nein kleinen Anhang übrigens, ihre lange Verlobungszeit betreffend. Ne Menge Hotelgeflüster … Zwischendurch Peinlichkeiten … Sowas darf nicht in falsche Hände kommen.« Daraufhin will Fonty gesagt haben: »Furchtbar rücksichtsvoll. Wird meiner Mete ein zwiespältiges Vergnügen sein, diese gewiß nicht erbauliche Lektüre.« Hoftaller, von dem wir vermuten dürfen, daß ihm nicht nur die überfüllte Blase befohlen hatte, schnurstracks nach Fonty die Toilette aufzusuchen, sagte beschwichtigend: »Nur das Übliche. Sie kennen ja Ihre Tochter. Hat nun mal nen Hang zum Prinzipiellen, mal links, mal rechts abweichend. Dennoch, halb so schlimm alles. Einige revisionistische Extratouren. Doch jedesmal hinterher Selbstkritik. Nur auf ihren einstigen Verlobten, den Genossen Zwoidrak, wollte sie nichts kommen lassen. Und sogar im Hotelbett hat sie den Sozialismus ne im Prinzip gute Sache genannt. Habe übrigens, um die Nüchternheit der Akte ein wenig aufzuhellen, einen Buchbinder bemüht. Sieht jetzt ganz hübsch aus, in Halbleder, mit marmoriertem Vorsatzpapier.« Fonty will gelacht haben: »Kolossal feinfühlend! Mete wird beim Auspacken ein Poesiealbum vermuten und dann erst am Inhalt, der gleichfalls ledern ist, zu beißen haben. Potz Blitz! Es ist der Chablis, der so treibt.« Nun schon am Waschbecken, soll Hoftaller geseufzt haben: »Noch spotten Sie, Fonty. Dabei sollte Ihnen an nein ähnlich inhaltsreichen Geschenk gelegen sein.
    Fürchte, der Buchbinder wird mir mehrere Bände in Rechnung stellen müssen. Ist ne Menge zusammengekommen, angefangen beim Herwegh-Club, Dresden nicht zu vergessen, später die Londoner Jahre …«
    »Sparen Sie sich die Kosten!« will Fonty bei laufendem Wasserhahn gerufen haben. Aber beim Händetrocknen hat er sich dann doch noch die Adresse des Buchbinders erbeten: »Will schon lange meinen Marwitz nachbinden lassen, auch die ›Effi

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