Ein weites Feld
einem Stoff beginnt, den ihm sein Brieffreund Friedlaender als schlesische Förster- und Wilderergeschichte mitgeteilt hat, schreibt er Anfang Juni 85 an Emilie, die in Berlin geblieben ist: »… habe die neue Novelle entworfen, soweit man etwas entwerfen kann, zu dem noch überall das Material fehlt. Von der ersten Hälfte gilt dies halb, denn sie spielt hier in der Gegend, von der zweiten – die bei den Mennoniten in Amerika spielt – ganz …« Übrigens wohnte der Amtsrichter Dr. Georg Friedlaender in Schmiedeberg, nah bei Krummhübel; man sah sich häufig. »Mit einem Silberstein kann man Fragen durchsprechen, mit Prinz Reuß nicht. Also hoch Silberstein! Oder Friedlaender …« Als ihn mit Korrekturbögen beruflicher Ärger in der Sommerfrische einholt – »Sein Eigenes immer wieder zu lesen, strapaziert nicht bloß, sondern verdummt auch« –, teilt sich sein Mißmut in einem Brief mit, den er am 18. Juli 87 an Friedrich Stephany richtet, der »Irrungen, Wirrungen« in Fortsetzungen abdrucken will und nun des Autors Kommentar zu den miserablen Fahnenabzügen der Vossischen Zeitung lesen muß: »Macht das, was ich wünsche, Doppelarbeit, so macht es Doppelarbeit!« 1891, im Jahr vor der Nervenkrankheit, ist er den August über in Wyk auf der Nordseeinsel Föhr: »Noch bin ich keinem Menschen begegnet, mit dem ich fünf Worte hätte sprechen mögen …«, klagt er seiner Tochter Martha. Leider liegen dem Archiv ihre Briefe an den Vater nicht vor; nur aus Zitaten – »… die Wendung ›vielmotivige Mogelpläne‹ ist Dir geglückt …« – wissen wir, daß Metes Briefstil dem seinen angepaßt war. Wenn Fonty über Martha Wuttke sagte: »Schriftlich ist sie besser als mündlich«, vermuteten wir ein verschollenes Zitat. Aus Bad Kissingen Briefe und immer wieder aus Karlsbad, von wo aus er, zum letzten Mal mit Frau und Tochter in Kur – das war Anfang September 98 –, seinem Sohn Friedel antwortet, der seit »Stine« und »Frau Jenny Treibel« des Vaters Bücher verlegt: »Was Du mir von Kritiken schickst, hab ich durchgelesen oder richtiger überflogen. Stellenweise zum Totlachen war Otto Leixner in der ›Täglichen Rundschau‹. An einer Stelle schreibt er: ›Er (Th. F.) mußte fünf Jahre auf sein Bräutchen warten.‹ Danach muß Leixner ein Sachse sein …« Wieder zurück in Berlin, verlobt sich endlich Mete mit dem Architekten Dr. Fritsch. Der ihm seit Jahren gewogene Kritiker Paul Schlenther berichtet: »Zur Feier der Verlobung seiner ihm geistesverwandten Tochter war ein kleines, feines Essen bereitet worden. Nur neun Personen. Der Alte in seiner herrlichen, lieben Greisenschönheit Mittelpunkt und Seele der Unterhaltung …« Vier Tage später war der Alte oder, wie wir zu sagen gewohnt sind, der Unsterbliche tot.
Nach Martha Wuttkes Trauung mit dem Bauunternehmer Heinz-Martin Grundmann und dem anschließenden Festessen, zu dem, weil Professor Freundlich und Frau abgesagt hatten, nur zehn, Hoftaller mitgezählt, elf Personen versammelt waren, reiste das frischvermählte Paar sogleich ab und folgte der Devise des Brautvaters: »Wenn auch nur kurz, Hochzeitsreise muß sein.« Sie fuhren in Grundmanns BMW über Schwerin, wo sie kurz Halt machten, um die zukünftige Wohnung mit Seeblick zu besichtigen, dann weiter nach Lübeck und Puttgarden auf Fehmarn, nahmen von dort die Fähre nach Rodby und waren zwei Stunden später in Kopenhagen, für dessen Sehenswürdigkeiten drei Tage genug sein mußten. Anschließend stiegen sie, wie vorbestellt, im »Hotel Praestekilde« in Keldby auf der Insel Mon ab. Doch auch die Brauteltern hielt es nicht in der immer noch heißen Stadt. Dem im Haus der Ministerien halbtags angestellten Aktenboten stand Genesungsurlaub bei voll ausgezahltem Gehalt zu; seine Frau sollte ihn begleiten. Und da der Sohn Friedel die Eltern nur kurz in der Kollwitzstraße besuchte und es überaus eilig hatte, nach Wuppertal zurückzukehren, mußte die Abreise nicht verschoben werden. Es kam zu keiner klärenden, geschweige denn versöhnlichen Aussprache. Steif saß man sich im Poggenpuhlschen Salon gegenüber. Jeder auf seine Weise verletzlich. Vorsichtig abwägende Worte. Eine Einladung an die Eltern, etwa zum Kuraufenthalt im Sauerland, wurde nicht ausgesprochen. Fragen nach Teddy und dessen Frau sowie nach deren Kindern aus erster Ehe bekamen kaum Antwort. Friedel wich jeder familiären Annäherung aus. Nur als Verleger war er gesprächig: Das Verlagsprogramm müsse sich nun, nach
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