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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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forsches »Zu kolossal, Hoftaller! Werde mich nie dran gewöhnen. Einfach zu kolossal!« Jetzt erst näherten sie sich. Vom Zaun aus, der den Hof zur Straßenseite hin begrenzte, sah es aus, als sauge das Portal sie an, mehr noch, als wachse der von elf Pfeilerprofilen gehobene Einlaß über sich hinaus, während beide zu verschieden großen Gnomen wurden; und diese Verzwergung widerfuhr ihnen zu jeder Jahreszeit, sogar bei Regenwetter, wenn sie sich unter schützendem Schirm näherten. Hoftaller, dem die veränderten Proportionen zur Erfahrung geworden waren, litt nicht wie Fonty, der, kaum hatte er »kolossal, zu kolossal« gerufen, seinen Tagundnachtschatten hörte: »Mir gibt das ne gewisse Festigkeit. Weiß jedesmal, wenn ich hier antrabe, wohin ich gehöre. Und in Zeiten wie gegenwärtig, die sowieso auf ne gewisse Haltlosigkeit hinauslaufen, steigt in mir Dankbarkeit auf, wenn ich das Portal sehe, wie es größer, immer größer wird. Auch Sie, mein lieber Wuttke, sollten sich hier zu Hause, zumindest geborgen fühlen. Bißchen Demut kann nicht schaden.« Fonty, den das Tausendjährige Reich immer noch kränkte, blieb schroff: »Hielt nur zwölf Jahre, wirft aber einen kolossal langen Schatten.«
    Deshalb müssen wir ihre Auftrittsnummer wiederholen und sie schrumpfend dem wachsenden Portal zuführen. Gezählt viele Schritte vor der ersten Stufe zieht Hoftaller seinen flach eingedellten Hut, um ihn seitlich zu halten, während Fonty über die Stufen hinweg bedeckt bleibt. So begehren sie Einlaß: ergeben der eine, abgestoßen der andere. Verglichen mit weiteren Personen, die eintreten oder das Gebäude verlassen, sind beide besonders. Zwar ist jedem, der ein- oder austritt, der
    18. Januar 1990 als Donnerstag sicher, doch ist ihnen dieses Datum gleichfalls als Tag der Reichsgründung von 1871 gesetzt; zwar verstehen sie sich wie alle hier Bediensteten nunmehr der Regierung Modrow und den Beschlüssen des Runden Tisches unterstellt, doch sind Fonty und Hoftaller der Zimmerflucht im Haus der Ministerien schon von Person her bekannt gewesen, als der zur Baumasse gefügte Komplex noch als Neubau galt, Reichsluftfahrtministerium hieß und im Sinn der He III, des dazumal modernsten Langstreckenbombers, von weitreichender Bedeutung gewesen ist; ab 1935 ging der binnen Jahresfrist errichtete Großbau in die Geschichte ein. Im Taumel erster Siege wurde von hier aus die Lufthoheit verkündet. Als am Ende des Zweiten Weltkriegs das Regierungsviertel in Trümmern lag, blieb der Koloß, frei von sichtbaren Schäden, »wie ausgespart« übrig. Welch ein Angebot in dürftiger Zeit! Bald bezogen neue Herren die über zweitausend Diensträume des Gebäudes, das nun nahe jener Linie lag, die als Sektorengrenze die sowjetische Besatzungsmacht von der amerikanischen trennte. Bald hieß es: Drüben liegt Feindesland.
    Immer wenn beide eintraten, wobei auch Fonty endlich seinen hohen und breitkrempigen Hut zog, war ihnen bewußt, daß die an der Langseite des Gebäudes vorbeiführende Otto-Grotewohl-Straße zu Zeiten des Kaiserreichs, während der Weimarer Republik und solange das Reichsluftfahrtministerium in Betrieb gewesen war, Wilhelmstraße geheißen hatte. Damals standen links und rechts vom Portal Uniformierte mit Stahlhelm und geschultertem Gewehr in erstarrter Haltung. So ausgesucht hochgewachsen die Soldaten des Wachbataillons waren, wirkten selbst sie, aus Distanz gesehen, spielzeughaft klein im Verhältnis zur bewachten Architektur. Und wie seinen Zinnsoldaten erging es dem Reichsmarschall, sobald er sich in vollem Wichs und mit Marschallstab über den Ehrenhof hinweg dem Portal näherte, worauf die Wachtposten aus befohlener Starre erwachten und das Gewehr präsentierten. In all seiner bewitzelten Leibesfülle widerfuhr ihm jener Grad von Verniedlichung, der gleichfalls den Adjutanten im Gefolge und namhaften Größen an seiner Seite, etwa hochdekorierten Fliegerassen sicher war; Auftritte mit Mölders, Galland und Udet wurden für die Wochenschau gefilmt und sind heute Archivmaterial, das sich rückspulen ließe. Und hier war Fonty während der Kriegsjahre als Soldat ein und aus gegangen, mit längeren Pausen dazwischen, wenn er auf Dienstreise war. Oft kam und ging er allein, selten und nur bei besonderen Anlässen in Begleitung von Hoftaller, der damals als Tallhover von seiner Dienststelle aus Kontakt mit dem Gestapoquartier im nahe gelegenen Prinz-Albrecht-Palais hielt; eine Adresse mit Ruf, die nur mit belegter

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