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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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sich als Schlachtfelder bewiesen hatten, übersättigt war. Zwölf Jahre lang hatte der Unsterbliche, im Dienst eines geizigen Verlegers, Kriegsbuch nach Kriegsbuch geschrieben: ein jedes dickleibiger und mit mehr todbringendem Wissen vollgepfropft; denn noch ergiebiger als der dänische und der österreichische Feldzug war der Krieg gegen Frankreich gewesen. Auf zweitausend Seiten wurde keine Schlacht, keine Belagerung, kein Scharmützel ausgelassen. Nicht nur Armeen und Regimenter, sondern auch Bataillone und Kompanien fanden Erwähnung, sofern ihre Verluste an Offizieren und Mannschaften groß genug waren. Wir vom Archiv neigen dazu, von zwölf verlorenen Jahren und vergeudeter Kraft zu sprechen, sobald uns der Wust der Kriegsbücher kommentierende Arbeit bereitet; doch des jungen Theo Wuttke Hunger nach Details zehrte von diesen Wälzern. Schon seinen Abituraufsatz hatte er mit Zitaten aus dem letzten Feldzugsbericht angereichert, in dem, zum Beispiel, haushälterisch Kriegsbeute aufgezählt wurde: »Vorn Potsdamer Tore an begann die Aufstellung der eroberten Geschütze, derart verteilt, daß in der Königgrätzer Straße 453, unter den Linden 514 standen, unter ihnen bemerkenswert ein in Soissons erbeuteter, mit reichem Relief bedeckter Vierundzwanzigpfünder aus dem vorletzten Regierungsjahre Ludwigs XIV.« Kein Wunder, daß so viel der Vergangenheit gezollte Besessenheit auffiel und den eher unterdurchschnittlichen Schüler Theo Wuttke herausriß. Sein Abituraufsatz wurde, wenngleich gekürzt, im Lokalblatt abgedruckt. Und so wird Tallhover, der ja auf Unsterbliche und deren Obsessionen spezialisiert war, von dem nachwachsenden Talent Wind bekommen haben. Ein junger Mann, der sich dicke Bücher so kurzgefaßt einverleiben konnte, daß dabei die auf drei Kriegen beruhende Einheit Deutschlands für jedermann schlüssig wurde, ein solches Talent war zu weiterführenden Aufgaben befähigt. Wie Theo Wuttkes Karriere auch immer begann, jemand, im Zweifelsfall Tallhover, hatte ein Auge auf ihn geworfen. Gleich nach Ende des Polenfeldzugs wurde der Rekrut vom Truppenübungsplatz Groß-Boschpol, wo man gerade begonnen hatte, ihn als Infanteristen zu schleifen, zum Reichsluftfahrtministerium befohlen: Abteilung Kriegsberichterstattung und Propagandawesen. Später erinnerte sich Fonty, daß er diesen Wechsel so dankbar wie gedankenlos vollzogen habe, denn die Bedingungen seines relativ gefahrlosen Etappendienstes seien ihm damals nicht durchschaubar gewesen: »Zumindest anfangs roch es recht appetitlich in des Teufels Küche.« Wir vom Archiv lassen das unkommentiert. Jedenfalls befand sich der Soldat Theo Wuttke ab Anfang 1940 im Generalgouvernement Polen auf Dienstreise. Den Achtzehntagefeldzug zeichnete er noch unsicher nach, weil ihm auf diesem Terrain kein Kriegsbuch des Unsterblichen den Rücken stärkte und die in Westpreußen handelnden Kapitel aus »Mathilde Möhring« landschaftlich wenig hergaben, indem sie nicht die Bohne nach Schlachtfeld und Schießpulver rochen; doch seit Beginn der Blitzsiege über Frankreich konnte er sich nicht nur auf das dickleibigste aller Kriegsbücher, sondern auch auf ein Nebenwerk berufen, in dem der Unsterbliche von seiner Festnahme in Domrémy bis zur Entlassung von der Insel Oléron Bericht gegeben hat. Ohne ausreichende Kenntnis oder gar Anspruch auf die vollzählige Erfassung seiner Artikel können wir dennoch sagen: Theo Wuttke hat aus Sedan und Metz, aus Nordfrankreich und dem Elsaß, desgleichen aus Neufchâteau, Langres und Besançon, vom Geburtsort der Jungfrau von Orléans, natürlich von der Festungsinsel an der Atlantikküste und später sogar aus Lyon einfühlsame, rückbezügliche, zitatsichere und immer amüsant anekdotische Berichte geschrieben, die bald viele Liebhaber fanden, weil in ihnen der tagtägliche Krieg wie eine Nebensache behandelt, die Vergangenheit jedoch in aller Breite und Tiefe und nicht nur auf Schlachtfeldern belebt wurde. Schließlich war des Unsterblichen hugenottische Abstammung eine kaum zu erschöpfende Fundgrube: Besonders die späten Berichte aus Lyon und von nicht ungefährlichen Exkursionen in die Cevennen, bis in die Schluchten der Ardèche hinab, zeugen von solcher Spurensuche. Auf diesen Teil seiner Tätigkeit von uns angesprochen, sahen wir ihn verlegen lächeln. Nur ungern sprach Fonty über die Kriegsabenteuer des Gefreiten Wuttke: »Na ja, das war zu jener Zeit mehr als gewagt. Leider wurde mir für eine Reise in die Gascogne

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