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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Stimme geflüstert wurde. Wie sein Biograph versichert, hat Tallhover in jener Phase seiner Tätigkeit dem Reichssicherheitshauptamt zugearbeitet: so dem Amt Zwei mit einem Memorandum zur Überwachung der Kirchen jeglicher Konfession. Ab 43 betreute er, im Auftrag des Amtes Fünf, prominente Gefangene im KZ Sachsenhausen, darunter den kriegsgefangenen Sohn Stalins. Und dennoch fand Tallhover Zeit für seinen Schutzbefohlenen, den als Sonderfall geführten Gefreiten Theo Wuttke. Noch keine zwanzig Jahre alt war Fonty, als man ihn in Uniform steckte. So, im kleidsamen blaugrauen Tuch der Luftwaffe, näherte er sich dem Portal. Das Käppi saß ihm schräg auf unvorschriftsmäßig langem Haar. Seinetwegen präsentierte niemand das Gewehr, wenngleich er in nicht unwichtiger Funktion das Reichsluftfahrtministerium betrat. Der uniformierte Fonty war als Kriegsberichterstatter tätig, ohne sich dabei besonders in Gefahr begeben zu müssen. Nicht als Augenzeuge direkter Kampfhandlungen, etwa als Copilot in einem Sturzkampfflugzeug, Stuka genannt, hatte er zu berichten, vielmehr machte er auf französischen Feldflugplätzen und in deren Umgebung Notizen, die ganz zwanglos Eingang in kunsthistorische Betrachtungen und geschichtliche Rückblicke fanden, in die er freigiebig literarische Bezüge streute: Goethe und die Kanonade von Valmy; Schiller und die Jungfrau von Orléans; die Beiträge hugenottischer Einwanderer zur deutschen Literatur, mithin Zitate aus allem, was dem Unsterblichen zum Werk geworden war. Des Kriegsberichterstatters Wuttke in bretonische Landschaft verliebte, an französischen Kirchenfassaden hochschweifende und nur wie nebenbei am Militärischen orientierte Berichte boten so feingepinselte und bezaubernde Stimmungsbilder, daß sie, außer in Soldatenzeitungen, auch in den Feuilletons der bürgerlichen Presse Leser fanden. Tallhover hatte ihm diesen, wie man damals sagte, Druckposten verschafft. Eine Gefälligkeit, die allerdings mit der Auflage verbunden war, sich in Offizierskreisen kundig zu machen, die Stimmung der Truppe zu erfragen und weinselige Kasinoabende auf Nebentöne abzuhören. So bot sich Grund, von Fliegerhorst zu Fliegerhorst, von Städtchen zu Städtchen die Landschaft zu wechseln und sich als aufmerksamer Zuhörer und Beobachter zu beweisen. Doch werden Theo Wuttkes zusätzliche Berichte. die nie veröffentlicht worden sind. wenig verwendbares Material für Tallhover oder das Reichssicherheitshauptamt hergegeben haben. denn Fonty verlor sich gerne im Anekdotischen und hatte kein Ohr für konspirative Nebentöne. Bei alledem blieb seine soldatische Existenz außer Schußweite.
    Weshalb war der Soldat., dann Gefreite und später Obergefreite Theo Wuttke für diese Doppeltätigkeit besonders geeignet? Wir vom Archiv vermuten, daß ihn das Gesamtwerk des Unsterblichen schon während der Neuruppiner Schulzeit auf die Fortsetzung oder Wiederholung bestimmter Arbeitsphasen vorbereitet hat. Sobald er mit ersten Artikeln aus besetzten Ländern Bericht gab, zum Beispiel aus Dänemark, waren die drei Kriegsbücher von Gewicht. In einem längeren Kopenhagener Stimmungsbild schlugen sich nicht nur dem Roman »Unwiederbringlich« entliehene Zitate nieder, sondern auch Episoden aus jenem Buch, das den Krieg Preußens gegen Dänemark im Jahr 1864 zum Anlaß gehabt hatte. Er rückte Einzelheiten von der Erstürmung der Düppeler Schanzen wie diese: »… am 2. Ostertag, als das Leibregiment in heftigem Feuer stand, rief einer der Grenadiere: ›Die Dänen kochen ihre Ostereier ziemlich hart‹ …« in seine sonst friedfertige Reportage. Und wie sich die deutschen Überfälle auf Norwegen und Dänemark ins Historische verplaudern ließen, so gab der Krieg gegen Österreich von 1866, der ein zweites Kriegsbuch zur Folge gehabt hatte, landschaftlich eingebettete Berichte her, die der Gefreite Wuttke aus dem Reichsprotektorat Böhmen und Mähren schrieb: »Schneiden wir aus dem Plateau von Gitschin einen Bruchteil heraus, dessen östliche Seite durch den Lauf der Elbe zwischen Josephstadt und Königgrätz, dessen westliche Seite aber durch die Linie Horsitz-Neu Bidsow gebildet wird, so haben wir im wesentlichen ein zwei Meilen langes und zwei Meilen breites Quadratstück, das wir im weiteren Sinn als das Schlachtfeld von Königgrätz bezeichnen können …« Wir kannten Fontys Hang zum alles einbeziehenden Rückgriff. Das Archiv wußte, welche Quellen er abschöpfte und daß sein Blick auf Landschaften, die

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