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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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wieder.«
    »Wenn’s geht, ohne Zigarre. Weder die Zimmerpalme noch ich vertragen diesen wichtigtuerischen Dunst. Überhaupt sind meine Pflanzen und ich gern allein. Bei uns ist, wenn Sie mir diesen Kalauer erlauben, kein Blumentopp mehr zu gewinnen. Und was Frau Frühauf betrifft, die, nebenbei gesagt, eine überaus helle Person ist, wird es Gründe für ihre Kündigung geben. Paßte ihr nicht mehr, die Treuhand. Vielleicht lag ein günstiges Angebot vor. Hatte überhaupt andere Pläne: wollte sich umschulen lassen, Abendkurse belegen, fleißig büffeln und schließlich Berufsschullehrerin werden …«
    »Ach was! Abgetaucht ist sie. Nicht ne Spur ist geblieben. Kennen wir doch diese Methode. Aber Sie können sich beglückwünschen, Fonty. Ihr Verdacht, der mir, zugegeben, zu hergeholt war – die graue Maus mit zielstrebigem Willen ist wohl doch von dieser Welt. Da sieht man wieder mal, wie gefährlich Literatur sein kann. Zwar nur ne kurze Erzählung, wirkt aber wie ne Zeitbombe mit Spätzündung …«
    »Jetzt spekuliert sich der erklärte Freund des geschriebenen Wortes neue und zugleich rückwirkende Zensurbestimmungen zusammen. Wollen Sie etwa Mathilde Möhring in Vorbeugehaft nehmen …«
    »Aber nein doch! Freue mich schon auf den nächsten Knall. Uns geht das ja eigentlich nichts mehr an. Wir schauen zu, wie andere scharf daneben ermitteln. Einfach lachhaft, dieser Generalbundesanwalt!«
    »Nicht jeder kennt sich so gut in Literatur aus wie Sie …«
»Er stochert im Nebel rum. Und das öffentlich! Na, soll uns recht sein. Sie kennen ja meine These: Erst langsam, dann schneller kommt alles ins Rutschen …« Hoftaller saß noch ein Weilchen auf dem mit Spezialwissen gepolsterten Sofa und malte sein Schreckensbild von der Verostung des Westens aus, dieses schon oft übermalte und in immer mehr Düsternis ersaufende Gemälde. Mit kalter Zigarre saß er und entwarf ein tiefgestaffeltes, hier Grenzmarken, dort Bollwerke einbeziehendes Sicherheitssystem, das allseits festungsartig abschirmte, besonders nach Osten hin. Als alles dicht war, sagte er: »Nur so schützen wir unser Deutschland vor Überfremdung. Dabei läßt sich das westeuropäische Hinterland einbeziehen, doch nur – wie ich kürzlich meinen neuen Partnern geraten habe –, wenn Deutschland ne Sonderstellung hat. Denken Sie mal zurück, Fonty, nicht mal besonders weit, nur an den Kriegsberichterstatter Wuttke. Kein Artikel, den Sie verzapft haben, der nicht zwischen ner kunstgeschichtlichen Betrachtung und ner Landschaftsbeschreibung die Testung Europa‹ gefeiert hätte. War damals der Atlantikwall, den Sie besungen haben, doch Ihre Visionen könnten noch heute überzeugen, falls sich der Wall gen Osten richtet. Mußte den Herren drüben bis ins Detail verklickert werden, wie und warum. Sonst verosten wir, hab ich gesagt. Sieht man doch jetzt schon, was sich da alles zusammenbraut, nicht nur auf dem Balkan, auch in der Ukraine, nein, überall da unten und weiter hinten im Kaukasus … Ist an der Zeit, meine Herren, sich Gedanken zu machen, na, wie sich seinerzeit der Obergefreite Wuttke am Atlantik Gedanken gemacht hat …« Fonty war nicht bereit, zum neuen Sicherheitssystem beizutragen. Er saß an seinem Schreibtisch, hatte den Entwurf für eine Belebung der Kühnschen Bilderbögen und die dürftige Liste zusammengeklaubter Ersatzwörter vor sich, blickte durchs Fenster über das Innenhofkarree hinweg in den nichtssagend blauen Himmel, zog den Blick ab und suchte an der seitlich stehenden Etagere voller Topfblumen Halt. Von Stufe zu Stufe zählte er auf: die Begonie, das Alpenveilchen, den abwechslungsreich gefärbten Pfeilwurz, das immerfort blühende Fleißige Lieschen, die längst abgeblühte Azalee, den Zierefeu, die altmodische Becherprimel, das Frauenhaargras, die Myrte, die Aloe … Gut möglich, daß ihn die vollbesetzte Etagere oder die Zimmerpalme vor manchmal sonnenbeschienener Wand auf ein gärtnerisch pflegliches, auf ein Frühaufsches Wort gebracht hat. »Umtopfen!« rief er. »Sie hat ›unbedingt umtopfen‹ gesagt. Hören Sie, Hoftaller, ich habe das Wort: umtopfen!« Bei ihrem letzten Besuch war ihm das Gemmengesicht mit dem Vorschlag gekommen, der schnell wachsenden Efeuaralie und dem wuchernden Papyros bald, spätestens im Herbst, mit größeren Behältern behilflich zu werden. Sie stand vor der Etagere, zeigte Profil und hatte, fand Fonty, etwas Gotisches an sich. Zu uns sagte er später: »Frühgotisch, oberrheinische

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