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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Sofas. Die Lektion des Haubentauchers wurde als Geheimsache gehütet. Schweigsam erlebten ihn Frau und Tochter zu Haus. Als wir später im dritten Stock des Mietshauses in der Kollwitzstraße klingelten, sagten uns beide: »Wenn mein Wuttke mit mir redet, redet er nie über seine Sachen und so …« – »Ist doch nix Neues! Im Prinzip ist Vater immer schon unruhig gewesen. Und weil er nie Reisekader war, denkt er sich Reisen aus, mal hierhin, mal dahin.« Selbst Hoftaller, der lange vor uns Fontys nach auswärts gerichtete Absichten erahnt hatte, fand keinen Ansatz für ein abtastendes Verhör, so oft beide unterwegs waren; das Thema jener Tage - der bevorstehende große Geldumtausch – brachte nicht nur unser verzwirntes Gespann, sondern landesweit alle auf Trab.
    Sie nannten ihre gemeinsamen Spaziergänge »Einkaufsbummel«. Kurz vor Herrschaftsbeginn des neuen Geldes war überall Ausverkauf angesagt. Produkte aus volkseigenen Betrieben gingen zu Schleuderpreisen vom Ladentisch. Am Tag des verheißenen Geldwunders sollten die Regale in allen HO- und Konsumläden, in jeder Kaufhalle leer sein, damit, anstelle der dürftigen und unansehnlich verpackten Ware, der Westen Platz für sein Angebot fände. Hoffnungen spitzten sich zu: Endlich werde lang entbehrter Konsum stattfinden können. Endlich dürfe der Kunde König sein. Doch so heiß ersehnt die neue Währung war, so bänglich sahen viele ihrer Härte entgegen. Noch blieb Zeit, sich billig mit unverderblichen Vorräten einzudecken. Außer Fonty und Hoftaller waren nicht nur vieltausend Ostberliner Aufkäufer mit Taschen und Beuteln unterwegs; auch Westberlin half, den Ramsch abzuräumen. Allen saß das alte Geld locker. Jeder griff zu. Und überall leerten sich die Regale.
    Am Alexanderplatz kam Fonty billig zu einigen Packen Schreibpapier – garantiert holzfrei – und zu zwei Dutzend Bleistiften. In einem Spirituosengeschäft nahe dem RosaLuxemburg-Platz kaufte er günstig sieben Flaschen Weinbrand, die das Etikett der im Arbeiter- und BauernStaat für Qualität bekannten Brennerei VEB Wilthen trugen; deren Produkte waren während der zurückliegenden Jahre nur selten vorrätig gewesen. Außerdem bekam er zu Ausverkaufspreisen Haushaltsartikel für Frau und Tochter. Martha Wuttke, Mete genannt, wollte demnächst heiraten. Und weil ihr zukünftiger Mann aus dem Westen kam und als gutgestellt, wenn nicht vermögend galt, sollte sie nicht als arme Ostmaus, kenntlich durch magere Aussteuer, nach Münster in Westfalen ziehen. Dort betrieb der zukünftige Bräutigam Heinz-Martin Grundmann mit Kompagnon eine Baufirma, die schon seit Jahren in Ostblockländern tätig war, besonders erfolgreich in Bulgarien. Also kaufte Fonty ziemlich wahllos Bettwäsche, eine Suppenterrine »echt Meißner Porzellan«, Tischdecken, sogar ein Sortiment Nähgarn ein und überdies einen Mixquirl, hergestellt vom VEB Robotron. Gleichfalls sorgte er für seine Emmi mit Frottierhandtüchern und Toilettenseife; so unzureichend die Produktion der großen Textil-Kombinate früher gewesen war. Jetzt, gegen Schluß, bewiesen sie sich als lieferfähig. Schwer beladen kam Fonty nach Hause. Hoftaller half beim Schleppen. Dessen Schlußeinkäufe zielten auf anderes. Hier muß nachgetragen werden, daß der Tagundnachtschatten gelegentlich rauchte, nein, mit Sinn für Qualität ein Zigarrenraucher war. Das heißt, wir müssen uns Hoftaller bei Anlässen, von denen schon berichtet wurde, mit dickem Lungentorpedo und weißer, erst im letzten Moment lässig abgeklopfter Asche vorstellen. Ob längs der von pickenden Spechten besetzten Mauer oder nach dem Geburtstagsimbiß bei McDonald’s, überall, wo er mit Fonty unterwegs gewesen oder eingekehrt war, im Kreis der Talente vom Prenzlauer Berg oder auf einer Tiergartenbank, sogar im Haus der Ministerien hatte er seine immer kürzer werdenden Zigarren geraucht, sei es im Heizungskeller, sei es auf dem anfangs durchgesessenen, dann aufgepolsterten Sofa, das im Dachgeschoß stand und Platz für Raucher und Nichtraucher bot. All die Jahre im Staatsdienst bis hin zur angekündigten Währungsunion konnte sich Hoftaller aus hölzernen Kisten kubanischer Herkunft bedienen. Er wußte Quellen dieser exquisiten Ware aus dem sozialistischen Bruderland. Sogar in Mangelzeiten blieb er versorgt, und wann herrschte kein Mangel? Außer kubanischen Produkten rauchte er ab Mitte der achtziger Jahre Handgewickelte aus Nicaragua, die von besonderer Länge waren. Nie hat ihn

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