Ein weites Feld
abrackern müssen.«
»Keine Mark«, rief Fonty, »ist mir geschenkt worden, und mag sie noch so leichtgewichtig aus Blech gewesen sein.« Wieder Zustimmung: »Nix hat man uns geschenkt. Und das bißchen, was man kriegte., kriegte man nicht umsonst.« Und als Fonty ausrief: »Eins zu eins ist richtig; aber falsch ist, daß unser Altersgroschen halbiert wird«, hörte er. nachdem Fragen wie »Ist man denn nur noch die Hälfte wert?« -»Will man uns etwa zur Strafe halbieren?« seine Sorge um die Altersreserve gestützt hatten, jemanden laut rufen, der sieben oder neun Schlangenglieder hinter ihm stand: »Na, weil das Volk das gewollt hat. Jetzt sind wir zwar bald ein Volk, aber im Prinzip nur noch ne halbe Mark wert.« Fonty mußte sich nicht umgucken. Das war Hoftaller, dessen launiger Einwurf mit Gelächter belohnt wurde. Er hatte mehr auf der Latte: »War doch schon immer so, wenn’s um die Wurst ging. Der Rest fürs Volk, und zwar scheibchenweise, damit sich ja keiner überfuttert …« Und dann zitierte Hoftaller, der offenbar Zuhörer fand, wie aus dem Stegreif einige Eckwerte des Staatsvertrags zwischen den beiden Deutschländern. Er wies darauf hin, daß unter Absatz sechs ein verbrieftes Anteilsrecht am volkseigenen Vermögen eingeräumt werden könne. »Merkt euch das, Leute! Das soll ne Treuhandanstalt regeln. Jadoch, die drüben nennen das so: Treuhand!« Dann stand Fonty unversehens vorm Umtauschschalter. Er gab den beglaubigten Schein und sein Postsparbuch ab, legte seinen Ausweis dazu und bekam die neue Währung im Großen hingeblättert, den Rest in Silber, dazu das Sparbuch, dem eine Ecke abgestanzt worden war. Zu den sechstausend, die er eins zu eins umtauschen durfte, kamen dreitausendfünfhundertzweiundachtzig Mark, die halbiert wurden. Nur ein Kleckersümmchen, runde zwanzig DM, ließ er ins neue Sparbuch, ein blaues, eintragen, den großen Batzen hob er ab.
Nachdem der Kulturbundreisende und spätere Aktenbote Theo Wuttke ohne Eile alle Scheine und das Silbergeld durchgezählt, als Frischgedrucktes in der Brieftasche versorgt, die Münzen zu restlichem Blechgeld ins Portemonnaie gesteckt hatte und nun den Umtauschschalter für den nachrückenden Bartträger freigab, fühlte Fonty sich reich und nur zum geringeren Teil halbiert. Er hatte es eilig. an der Schlange vorbei davonzukommen.
Tatsächlich war alles so und doch wie im Märchen. Ein Aktenbote, von dem zu sagen ist, er war einmal, tauschte nach längerem Schlangestehen all sein Geld um und machte sich, nachdem er seinem Tagundnachtschatten, der weiter hinten in der Schlange stand, einen Gruß zugenickt hatte, unbeschattet auf den Weg. Schnurstracks eilte er zur S-Bahnstation Schönhauser Allee, fuhr Richtung Ostkreuz, stieg dort in die Bahn, die über Warschauer Straße, Hauptbahnhof, Jannowitzbrücke zur Friedrichstraße fuhr, und blieb mit seinem Geld in der Brieftasche bis zur schon westlichen S-Bahnstation Bellevue sitzen. Von dort aus lief er in Richtung Kleiner Stern, dann zum Rosengarten und suchte, am Lortzingdenkmal vorbei, seinen Lieblingsplatz mit Blick auf die Rousseau-Insel. So zielstrebig tauschte er die Bundesbank gegen eine Tiergartenbank, daß man glauben mochte, nur hier fühle er sich sicher, nur hier könne er mit sich und seinem Geld allein sein, trotz der vielen Türken, die als Großfamilien auf den Tiergartenwiesen lagerten und sich dort mit den Reichtümern ihrer anatolischen Küche ausgebreitet hatten: Leise roch es nach Schaschlik. Nicht mehr Theo Wuttke, Fonty sah dem Haubentaucher zu. Wie plötzlich er weg war. Wie jedesmal überraschend er anderswo als vermutet auftauchte. Und wie des Tauchers Häubchenfrisur bei all den Unterwasserübungen keinen Schaden nahm: Hübsch und elegant gestylt, bot sie ein besonderes Profil. Während der Überraschungskünstler unter den Wasservögeln abgetaucht war, kam es vor, daß Fonty seine geschwollene Brusttasche betastete. Fast sah es aus, als streichle er die Schwellung seines Jacketts. Der längst abgeblühte Holunder hinter der Tiergartenbank breitete schon Fruchtfächer aus. Er saß, wie gewünscht, vor sommergrüner Kulisse allein, bis plötzlich und ohne Vorwarnung Hoftaller neben ihm Platz nahm. So unversehens wie selbstverständlich war er zur Stelle: diesmal in sommerlichen Kniehosen. Dazu paßten das kurzärmelige Hemd und die Baseballkappe. Da er in solchem Aufzug auch uns, das Archiv, mehr überrascht als besucht hat, kannten wir seine strammen Waden und
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