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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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vielleicht bekehren können, aber Gläubigkeit war nicht mein
Ding. Wobei ich nichts gegen Religion hatte, schon gar nicht, wenn Leute wie
Regina in ihrem Namen Gutes taten.
    Wir warteten und schmorten unter den
Bäumen, die den Asphalt unterwanderten. Habiba ließ mein Hosenbein los und
setzte sich hin, an einen Palmettostamm gelehnt. Unser Kommen hatte die Vögel
aufgescheucht, und um uns war drückende Stille. Ich sah auf die Uhr. Wie lange
noch?
    Die Minuten zogen sich endlos. Ich
hörte ein Rascheln im Dornwald und fuhr herum. Es hielt ein Weilchen an,
verstummte dann. Ich sah auf Regina, die aufrecht dastand und sich mit der Hand
Luft zufächelte. Kein Grund zur Aufregung, befand ich. Regina kannte diese Art
Gelände; auf ein verdächtiges Geräusch hätte sie bestimmt reagiert. Ich sah
mich trotzdem immer wieder um, ohne irgend etwas ausmachen zu können, bis ich
von Westen her ein Brummen hörte.
    Ein kleines Flugzeug tauchte über den
Bäumen auf. Habiba sprang auf und guckte empor, die Hände über die Augen
gelegt. Regina war offenbar in eine Art Hitzetrance gefallen; jetzt kam sie zu
sich, und ihr Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln.
    Die Cherokee war weiß und schnittig.
Sie schwebte in stetem Winkel auf die Landebahn herab. Bald würden wir in der
Luft sein, unterwegs zu einem Zielort, wo wir unserem sicheren Zuhause schon
ein gutes Stück näher wären.
    Das Fahrwerk war draußen und die
Landeklappen partiell ausgeschlagen. Die Maschine näherte sich dem Beginn der
Rollbahn. Startete durch und gewann wieder Höhe.
    Regina und Habiba sahen mich ängstlich
an.
    »Er guckt sich die Bahn an«, erklärte
ich ihnen.
    Die Maschine flog eine Schleife und
näherte sich wieder. Habiba packte meine Hand und tat einen kleinen Luftsprung.
Die Cherokee schwebte stetig herab, die Klappen jetzt ganz ausgeschlagen. Sie
glitt dicht über der Rollbahn dahin und setzte ziemlich weit hinten auf. Als
sie wendete und auf uns zurollte, pellte ich Habibas Finger von meinen und
rannte los.
    Die Cherokee hielt; der Propeller wurde
auf Segelstellung gefahren und der Motor abgestellt. Die Tür öffnete sich, und
Hy steckte den Kopf heraus. »Will jemand mit auf die Florida Keys?« rief er.

 
     
     
     
     
    Dritter Teil
    Die Reise

26.-28.
Mai
     
     
     

21
    Durch ein Dachfenster schien die Sonne
herein und brannte auf meiner Haut. Feuchtheiße, stickige Luft. Noch mehr
Insektenstiche.
    Ich muß hier raus. Muß zu Habiba, sie
in Sicherheit bringen.
    Nein, halt. Ich bin in Sicherheit, und
sie auch. Wir sind nicht mehr in der Karibik.
    Ich setzte mich auf und sah mich um.
Ein kleiner weißer Raum, Trödelmobiliar, Doppelbett, die Kuhle von einem Kopf
im anderen Kissen. Hys Abdruck. Aber wo...?
    Ach ja.
    Wir waren im Haus eines weiteren alten
Kumpels von ihm, der bei unserer Ankunft gestern abend nicht da gewesen war und
dessen Namen Hy mir nicht verraten hatte. Auf einer der kleinen Florida Keys —
gerade groß genug für ein paar Häuser und die Rollbahn, auf der wir gelandet
waren. Hy hatte mir auch den Namen der Insel nicht gesagt, und an seiner
verschlossenen Art hatte ich gemerkt, daß hier irgend etwas lief, was
möglicherweise nicht legal war. Ich wollte nicht wissen, was; ich hatte auch so
schon genügend Sorgen.
    Ich stand auf, trat ans Fenster und
drückte die Lamellen der Jalousie auseinander. Unglaublich aquamarinfarbenes
Wasser und ein gammliger Bootssteg. Zwei Gestalten, die am äußersten Ende saßen
und die bloßen Füße überm Wasser baumeln ließen. Hy und Habiba. Sie redete, und
er hörte aufmerksam zu, wobei er ab und zu nickte.
    Sollte ich sie stören? Lieber nicht,
sonst würde Habiba womöglich wieder in dieses beängstigende Schweigen
zurückfallen. Und außerdem hatte ich genug zu tun.
    Zuerst duschen. Dann wieder in meine
dreckigen, zerknautschten Klamotten fahren. Dann auf die Suche nach einem
Telefon gehen.
    Das Telefon befand sich in einer Küche,
die aussah, als ob Hys Freund allein lebte. Ein Mülleimer war mit Fast-food-Pappschälchen
vollgestopft; in der Spüle standen Bierflaschen, durch eine Ameisenstraße
verbunden. Ich bin selbst keine besonders ordentliche Hausfrau, aber der Geruch
in dieser Küche hätte mich zu einer dreitägigen Putzorgie getrieben. Ich
öffnete ein Fenster, um wenigstens etwas davon hinauszulassen, und rief auf
Kreditkarte Greg Marcus an. »Wird auch Zeit, daß du dich mal wieder meldest«,
sagte er. »Bist du zurück?«
    »Nein.«
    »Wo dann?«
    »Kann ich dir

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