Ein wilder und einsamer Ort
herüber, als Kenny hielt, und lugte
zu uns herein. Kenny fragte: »Soll ich warten?«
Ehe ich nein sagen konnte, erklärte
Regina: »Ja. Ich bringe Ihnen etwas frischgepreßte Limonade.«
Der Taxifahrer bedachte sie mit einem
Blick, der besagte, daß Limonade nicht sein Getränk war und sie ihm gefälligst
ein Bier bringen solle. Dann lehnte er sich resigniert zurück und griff nach
dem Radioknopf. Habiba und ich stiegen aus und folgten Regina ins Haus.
»Das ist also die junge Dame,
derentwegen Sie den ganzen weiten Weg hierher gemacht haben«, sagte sie, beugte
sich hinunter und hob Habibas Kinn so an, daß sie ihr Gesicht mustern konnte.
»Freut mich sehr, dich kennenzulernen.«
Habiba guckte mißtrauisch und schwieg.
Ich sagte: »Ich glaube, Habiba ist
müde. Das Unternehmen war ziemlich... abenteuerlich.«
»Verstehe. Möchtest du dich ein bißchen
hinlegen, junge Dame?«
»Ja, bitte.«
»Dann komm mit. Ich bringe dich in mein
Schlafzimmer, wo wir dich hören können, falls du irgendwas brauchst.« Sie nahm
die Kleine an der Hand und führte sie aus dem Zimmer. Habiba sah sich ängstlich
nach mir um. Ich lächelte ihr beruhigend zu und fiel in einen Sessel.
Es schien zehn Jahre her, daß ich das
letzte Mal in diesem Raum gewesen war — soviel war in den letzten achtzehn
Stunden passiert. Achtzehn harte Stunden ohne Schlaf, dazu kaum etwas zu essen
und die extreme Anstrengung. Und jetzt... Ich beugte mich vor und legte das
Gesicht in die Hände, außerstande, mir vorzustellen, was noch vor uns lag.
Regina rief: »Ich bringe dem Fahrer die
Limonade, dann können wir reden.«
»Ich denke, er braucht nicht zu warten.
Wir werden wahrscheinlich noch eine ganze Weile hierbleiben.«
»Ja, ich habe von dem Streik gehört.
Aber es ist besser, wenn er nicht wegfährt; er weiß, wo Sie sind, und sie
könnten ihn kaufen.«
»...Stimmt.« Die Müdigkeit umnebelte
meinen Verstand.
Regina durchquerte mit einem großen
Plastikkrug den Raum, kam zurück und verschwand abermals in der Küche. Als sie
wieder herauskam, hielt sie eine Flasche Brandy und ein Glas in den Händen. Ich
starrte darauf.
»Ja, wir Siebenten-Tags-Adventisten
lehnen Alkohol ab, aber dies hier dient nicht dem Vergnügen.« Sie goß mit der
geübten Hand eines routinierten Bartenders ein. »Medizin. Schön austrinken.«
Sie war die Tochter ihres Vaters —
durch und durch pragmatisch. Ich trank und fühlte, wie eine schleichende Wärme
meinen ganzen Körper erfaßte.
Regina ließ sich in ihrem Lehnsessel
nieder und stellte das Fußteil hoch. »Mein Vater hat vor einer Stunde angerufen
und mir erzählt, daß Sie heil von Jumbie Cay weggekommen sind. Lloyd Fisher hat
es ihm telefonisch durchgesagt, sobald er wieder auf Anguilla war.«
»Ist Ihr Vater okay?«
»Warum sollte er nicht okay sein?«
»Sie haben Habibas Verschwinden
bemerkt, als wir noch vor Goat Point im Wasser waren. Ich habe befürchtet,
Schechtmann würde ihm die Hölle heiß machen.«
Regina lächelte auf die gleiche
verschmitzte Art wie ihr Vater. »Er hat es versucht, aber Dad hat ihn
vertrieben. Er hat seine Kanone geladen, sobald er wieder daheim war, und als
Schechtmann kam, hat er gedroht, das Feuer zu eröffnen.«
»Du lieber Gott.«
Sie nickte mit einem leisen Lachen.
»Als ich bei ihm gewohnt habe, hat mich seine verrückte Art rasend gemacht.
Inzwischen weiß ich sie zu schätzen.«
Ich spürte, daß sich zwischen den
Altagracias eine Versöhnung anbahnte, beschloß aber, mich jeden Kommentars zu
enthalten, um sie nicht zu sabotieren. Sturköpfe wie Zebediah und seine Tochter
— und ich — haßten es, wenn andere merkten, daß sie von irgendwelchen
Positionen abrückten, und seien es die irrationalsten.
Reginas Lächeln verschwand. »Und jetzt
erzählen Sie mir, was passiert ist. Das war doch nicht nur der ausgefallene
Flug; das Kind ist ja zu Tode verängstigt, und Sie scheinen auch ziemlich mit
den Nerven runter.«
Ich erzählte ihr, wie Schechtmann und
seine Leute am Flughafen aufgetaucht waren. »Wir können unmöglich mit einem
Linienflug von hier wegkommen, ohne daß sie uns abfangen.«
Sie schürzte die Lippen. »Und mit einer
Chartermaschine?«
»Inzwischen ist bestimmt zu allen
Chartergesellschaften durchgedrungen, was Cam Connors passiert ist. Ich
bezweifle, daß ich noch irgend jemanden dazu kriege, mich irgendwohin zu
fliegen.«
»Da haben Sie recht. Aber Lloyd Fisher,
der könnte doch...«
»Zu riskant. Schechtmann hat vielleicht
einen
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