Ein wilder und einsamer Ort
Tränen
brannten mir in den Augen. Einen Moment lang gab ich mich meinen Gefühlen hin,
das Handrad fest umklammert.
Dann holte ich tief Luft und hielt die
Maschine in einer steten Aufwärtsspirale.
Tausend Fuß Höhengewinn jetzt.
Tausendfünfhundert. Wahre Höhe viertausendfünfhundert Fuß.
Ich brauchte mindestens
sechstausendfünfhundert, um sicher über diesen Kamm zu kommen.
Ich zog die Maschine von der Peripherie
des Aufwinds mitten hinein.
Fünftausend. Fünftausendfünfhundert.
Sechstausend.
Wir erreichten die Kammhöhe bei gut
siebentausend Fuß. Ich blieb weiter in einer steilen Aufwärtsspirale, zog bei
achttausendfünfhundert Fuß aus dem Thermikschlauch heraus und nahm Nordwestkurs
in Richtung Bakersfield.
Jetzt erst gestattete ich mir einen
kleinen Triumphschrei.
Ein Echo kam über meinen Kopfhörer.
Habibas Hand berührte meine Schulter. Die Kleine beugte sich nach vorn, die
Lippen leicht geöffnet, die dunklen Augen ganz konzentriert.
»Wir haben es geschafft«, sagte sie.
»Das kannst du wohl laut sagen!« Meine
Stimme zitterte von den Tränen, die ich in Schach hielt, und ich ergriff ihre
Kinderfinger.
Sie setzte hinzu: »Und Hy hat alles
verschlafen.«
Ich drehte mich um. Er sah schrecklich
aus: das Gesicht jetzt grau, die Augen eingesunken, der Mund schlaff. Großer
Gott... »Habiba, weißt du, wie man jemandem den Puls fühlt?«
»Ja.«
»Fühl seinen, bitte.«
Während sie seine Hand nahm und an
seinem Handgelenk herumfingerte, studierte ich das Terrain unter uns. Ein paar
runde Hügel, dann die weite Ebene des Central Valley. Wie weit noch bis
Bakersfield? Meiner Schätzung nach nicht mehr als vierzig Meilen. Habiba sagte:
»Sein Puls fühlt sich ganz schwach an, Sharon.«
»Ist seine Stirn heiß?«
»Knallheiß, aber er zittert, als ob er
friert.«
Die Fieberzyklen wurden immer kürzer.
»Hör zu«, sagte ich, »wir landen in Bakersfield und bringen ihn ins Krankenhaus.«
Es sprach nichts dagegen; dort würde uns bestimmt niemand auflauern. Ich
bezweifelte, daß uns inzwischen überhaupt noch irgend jemand suchte.
Sie fragte: »Was soll ich machen?«
»Dort hinten unterm Sitz müßte eine
Decke liegen. Schau nach, ob du sie findest, und wickle ihn ein.« Das würde
zwar nichts gegen seinen Schüttelfrost nützen, aber es würde der Kleinen etwas
zu tun geben.
Wir waren jetzt schon ein gutes Stück
im Valley, näherten uns den Farmsiedlungen Arvin und Weed Patch. Eine
Waschbrettebene, meilenweit erstreckten sich pflanzreihengestreifte Felder;
Armeen von Hochspannungsmasten marschierten von Osten nach Westen, durch die
Leitungen in Reih und Glied gehalten! Ich griff nach dem Funksprechgerät, um
die Flugverkehrskontrolle von Bakersfield zu rufen, aber mein Blick blieb am
Öldruckanzeiger für den Steuerbordmotor hängen.
Die Nadel sackte gerade in den roten
Bereich.
Einen Moment lang starrte ich ungläubig
auf die Anzeige. Dann lachte ich — ein schepperndes, überspanntes Lachen. So
viel zu meinen Fähigkeiten als Flugzeugmechanikerin!
Großer Gott, was jetzt?
Ich sah auf den Motor. Kein Rauch zu
erkennen. Aber dann roch ich brennendes Öl.
Okay, okay, es ist ernst, gestand ich
mir ein. Wenn du den Motor weiterlaufen läßt, kann er sich festfressen. Und das
kann alle möglichen verheerenden Folgen haben — umherfliegende Kolben,
durchschlagenes Motorgehäuse.
Phantasier nicht rum. Denk nach, was zu
tun ist. Erinnere dich an diesen Kurs über mehrmotorige Maschinen, den du im
Herbst gemacht hast.
Höhe halten. Propeller auf
Segelstellung fahren.
Ich fuhr den Propeller auf
Segelstellung. Er kam sofort zum Stillstand.
Gut. Jetzt das Triebwerk stillegen.
Leerlaufzufuhr zu. Kraftstoffwahlschalter aus. Zusatzpumpe aus. Zündung aus.
Cowl-Klappen zu.
Entbehrliche Elektrik? Nichts an, gut.
Behandle das Backbordtriebwerk wie ein
rohes Ei; das ist jetzt alles, was dir bleibt. Kraftstoffmix auf »reich«,
Drehzahl runter, auf das Minimum, das du brauchst, um Fahrt zu halten.
Und was jetzt?
Flugverkehrskontrolle benachrichtigen.
»Sharon? Ich finde die Decke nicht.«
»Macht nichts. Wir sind bald da.«
»Aber Hy...«
»Der braucht die Scheißdecke nicht!«
Habiba schrak hörbar zusammen und
verstummte.
»Tut mir leid, daß ich dich angefahren
habe«, sagte ich. »Bist du angeschnallt?«
»...Nein.«
»Schnall dich bitte an. Wir...« Ich
hielt inne, weil mir nichts einfiel, was ich ihr sagen konnte. Ach, zum Teufel,
warum sollte ich ihr etwas vormachen? Nach
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