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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Ich lasse Sie rein.«
    »Danke. Sehr nett von Ihnen. Ich konnte
einfach nicht sehen, wo ich hintrete.«
    »Kein Wunder. Es ist heute so schnell
dunkel geworden, und wie es scheint, hat niemand daran gedacht, die
Pierbeleuchtung anzuschalten.« Sie klapperte, als sie mir die Tür aufhielt.
»Dieser verdammte Nebel. Ich wußte, das schöne Wetter hält nicht lange.«
    Ich bedankte mich und wartete, bis sie
nach links abbog. Ich wandte mich nach rechts, ging einen der schmalen
Anlegestege entlang und studierte die Namen der hier vertäuten Boote. Lazy
Daze, Marguerite, The Money Pit, Roger’s Jolly, Ms. Freedom...
    Ein schriller Schrei gellte durch den
Nebel. Drang bis in mein Innerstes und ließ mich erschauern.
    Ich fuhr herum und rannte über den Steg
zurück. Es war der Schrei einer Frau gewesen, und er war aus der Richtung
gekommen, in die meine barmherzige Samariterin entschwunden war. Der Steg
schwankte unter meinen Füßen, brachte mich fast aus dem Gleichgewicht. Ich
setzte die lästige Einkaufstüte ab und breitete die Arme als Balancierhilfe
aus.
    Jetzt hörte ich Stimmen, erregt und
bestürzt. Auf dem Hauptpier waren eine Reihe Lampen angegangen, und unter einer
davon sah ich eine Frau. Sie lehnte an einem hochgewachsenen Mann, das Gesicht
an seine braune Lederjacke gepreßt, und schüttelte abwehrend den Kopf. Ein
zweiter Mann guckte ins Wasser.
    Ich rannte zu ihnen. »Was ist los?«
    Der zweite Mann zeigte ins Wasser,
grünlich im Gesicht. »Rosalie hat das Licht angemacht, und da war es.«
    Es. Ich trat an den Rand des Piers,
hockte mich hin und suchte das schimmernde Schwarz ab.
    Eine Gestalt trieb, das Gesicht nach
unten, in den leisen Wellen. Ein Fuß hatte sich in einer Vertäuungsleine
verfangen. Ein zierlicher Körper, eine Frau, in einem losen Kleidungsstück, das
sich um sie blähte. Ein dunkles Kleidungsstück mit weißen Paspeln an Ärmeln und
Kragen. Wirres, dunkles Haar schwamm um ihre Schultern. Ich stöhnte auf. Ließ
meine Tasche fallen, schlüpfte aus meiner Jacke, streifte meine Turnschuhe ab.
    »Hey«, sagte der Mann, »Sie können doch
nicht...«
    Ich wappnete mich gegen den Schock,
holte tief Luft und sprang mit den Füßen zuerst hinein.
    Kalt! So kalt, daß einem das Herz stehenbleibt,
und tief. Ich gehe unter. Luft, ich brauche Luft...
    Ich spürte Grund unter den Füßen. Stieß
mich mit aller Kraft ab und tauchte wieder auf. Die Gestalt war etwa vier Meter
von mir entfernt. Ich kraulte hin, packte sie bei den Schultern. Drehte sie auf
den Rücken und nahm sie in den Rettungsgriff.
    Ein eisiger Schock auch für sie. Aber
ihr Herz ist endgültig stehengeblieben. Ich werde diese Kälte nie vergessen.
Werde sie bis ans Ende meiner Tage in meinen Alpträumen spüren.
    Ich begann, sie zum Steg zu schleppen.
Im Tod war ihr zierlicher Körper schwer und plump.
    Kalt und reglos und, Gott, diese
blicklosen Augen. Sie sollte daheim vor ihrem Kamin sitzen, mit ihrer Patience
vor sich auf dem Boden und ihrem Glas Wodka in Reichweite. Meinetwegen selbst
das. Nein, sie sollte über ihre Gedichte reden, den Alkohol für ein kurzes
Weilchen vergessen...
    Hör auf, McCone!
    Viele Leute auf dem Pier. Ausgestreckte
Hände, die nach dem Körper griffen. Jemand sagte, er kenne sich mit Wiederbelebung
aus. Sie zogen sie raus, und er machte sich an die Arbeit. Er mußte es wohl
versuchen, aber es würde nichts nützen. Ich war zu spät gekommen, um Mavis zu
retten.
    Die Hände streckten sich jetzt mir
entgegen. Ich ergriff sie. Gelangte auf den Steg, aber die Beine knickten unter
mir weg. Jemand hüllte mich in eine Decke.
    Zu spät, um Mavis zu retten.
    Und wo, o Gott, wo war Habiba?
     
     
     
     

13
    Als ich eine gute halbe Stunde später
vor einem Deputy des Sheriffs von San Mateo County meine Aussage machte, wußte ich,
daß die Erfüllung meiner Befürchtung, so wie Gage Renshaw und Konsorten zu
werden, wieder einen Schritt näher gerückt war. Ich sagte nichts von Klaus
Schechtmann, Dawud Hamid oder Habiba. Ich leugnete, Mavis zu kennen. Ich
erzählte nicht, daß ich Privatdetektivin war. Ich sagte kein Wort von Eric
Sparling oder der Freia. Einer der Männer auf dem Pier hatte die Polizei
gerufen und dann den Verwalter des Bootshafens, einen gewissen Evans,
benachrichtigt. Als Evans kam und mich naß und zitternd in der geborgten Decke
dasitzen sah, bot er mir sein Büro an, damit ich die Notfallklamotten anziehen
konnte, die ich immer im Kofferraum

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