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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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des MG liegen hatte. Bis ich umgezogen war,
hatte Evans jedoch die ganze Sache noch einmal überdacht und bemerkt, daß ich
mich unbefugterweise auf dem Hafengelände aufhielt. Ich gestand sofort, mich
eingeschlichen zu haben. Ich hätte einen Freund, der hier sein Boot liegen
habe, mit einem Essen überraschen wollen und deshalb Rosalie angeschwindelt,
damit sie mich einließ. Der Name meines Freundes? Eric Sparling.
    »Mr. Sparling wohnt nicht auf seinem
Boot«, sagte Evans.
    »Ich weiß, aber ich dachte, er wäre
heute abend hier.«
    »Tja, die Freia ist am späten
Nachmittag in See gestochen. Das weiß ich, weil die Crew gerade bei den
Vorbereitungen war, als ich um halb vier nach Hause gegangen bin.«
    »Da muß ich wohl die Termine
durcheinandergebracht haben. Eric... Mr. Sparling haben Sie nicht gesehen?«
    »Nur die Crew und einen Mann, der das
Boot schon öfters benutzt hat — blond, mit deutschem Akzent.«
    Klaus Schechtmann. »Hatte er eine Frau
und ein kleines Mädchen bei sich?«
    Evans runzelte die Stirn; ich stellte
zu viele Fragen. »Ich habe keine Frau und kein Kind gesehen. Und hören Sie,
junge Frau, schleichen Sie sich nie wieder hier rein, Überraschung hin oder
her. Dafür haben wir ja das Tor — gegen Versicherungsprobleme wie Sie.«
    Ich versprach, nie wieder irgendwo
unbefugt einzudringen, und Evans ließ mich in Ruhe. Dann machte ich meine kurze
verlogene Aussage vor dem Deputy und verschwand. Ich beschwichtigte meine
Gewissensbisse wegen der Auslassungen und krassen Unwahrheiten, indem ich mir
sagte, daß sich der Deputy sowieso nicht für meine Geschichte interessiert
hatte. Er hatte zweimal von Unfalltod gesprochen und schien nichts
Ungewöhnliches dabei zu finden, daß ich in die Bay gesprungen war, um die
Leiche einer mir völlig unbekannten Person zu bergen. Vielleicht dachte er, ich
stünde darauf, mit dem Risiko einer Lungenentzündung zu spielen.
    Vom MG aus rief ich Renshaw im Konsulat
an und übermittelte ihm die Nachricht. Als ich zu Ende gesprochen hatte, fragte
er: »Mord?«
    »Schwer zu sagen. Bisher tendiert das
Sheriff’s Department zu Unfalltod.«
    »Dann haben Sie ihnen also nichts
gesagt?«
    »Ich habe es erwogen, aber ich hatte
Angst, sie würden die Küstenwache hinter der Freia herhetzen.
Schechtmann ist ein flüchtiger Krimineller, und wie immer Mavis im Wasser
gelandet ist — ich bin mir sicher, daß er sie ihrem Schicksal überlassen hat.
Ich bezweifle, daß er sich einfach so schnappen läßt. Falls Habiba an Bord
dieses Boots ist, möchte ich sie nicht gefährden.«
    »Vernünftige Entscheidung.«
    »Sie sollten sich irgendeine Geschichte
einfallen lassen und hierherkommen, zum Sheriff. Mir gefällt die Vorstellung
nicht, daß Mavis unidentifiziert im Leichenschauhaus liegt. Und Sie sollten es
wohl Mrs. Hamid beibringen.«
    »Ja. Wie ich sie kenne, wird sie es
stoisch aufnehmen, ganz gleich, was in ihr vorgeht. Und nichts Erhellendes dazu
sagen.«
    »Na dann viel Glück.«
    »Und was wollen Sie jetzt tun?«
    »Herausfinden, wo Schechtmann hin
will.«
     
    Der Nebel bedeckte jetzt den ganzen San
Bruno Mountain; er dämpfte die Lichter der kleinen Häuser zu einem schwachen
Schimmer und lag als dichter Schleier um die Stämme der Eukalyptusbäume. Wieder
ließ ich den Wagen bei Newtons Briefkasten stehen und überquerte die
Plankenbrücke. Wieder ruhte meine Hand auf der 38er in meiner Umhängetasche.
Newton mochte ein weltentrückter, harmlos wirkender Einsiedler sein, aber er
war auch ein Mann mit einem Geheimnis.
    Als ich an die Tür des Bungalows klopfte,
dauerte es über eine Minute, bis er reagierte. Aus dem hinteren Teil des
Häuschens näherten sich Schritte, und über der Tür ging eine Glühbirne an.
Newton guckte heraus; seine Augen weiteten sich überrascht, und er wich zurück.
    Ich zwängte mich an ihm vorbei ins
Wohnzimmer. Das Glas mit den Fingerabdrücken stand immer noch zwischen den
Hummel-Figuren auf dem Tisch. Ich ging hin, nahm es und roch daran. Wodka.
Newton fragte nicht, was ich da machte; er wußte es.
    »Wer hat sie hergebracht?« inquirierte
ich. »Speed?«
    Sein Blick wich meinem aus. »Wen?«
    »Das wissen Sie genau — Mavis Hamid und
ihre Tochter.«
    »Ich verstehe nicht, wie Sie...«
    »O doch, Sie verstehen. Hören Sie,
Newton, Sie haben mir gesagt, Sie benutzen dieses Zimmer nur, wenn Besuch da
ist, aber heute nachmittag wirkte es belebt, als wäre jemand hier gewesen,
bevor es so kalt wurde, daß sie Feuer machen mußten.

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