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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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aber Geheimnisse haben nun mal
die Neigung, von selbst ans Licht zu kommen.«
    Sie schlug sich wieder die Finger vor
den Mund, als könnte sie auf diese Weise verhindern, daß das passierte. Genau
wie Langley Newton konnte auch sie sich jetzt mit ihren Gewissensbissen
herumschlagen.
     
     
     
     

14
    Eric Sparling stand nicht im
Telefonbuch. Ich wählte Charlotte Keims Apparatnummer bei RKI, in der Hoffnung,
daß sie noch da war und einen kurzen Scan für mich durchlaufen lassen konnte.
Aber ich erreichte nur ihren Anrufbeantworter. Ein Blick auf die Uhr sagte mir,
daß es schon einiges nach acht war. Die Zeit raste dahin, und jede Minute trug
ein kleines Mädchen, das inzwischen große Angst haben mußte, weiter von mir
weg.
    Ich hinterließ Charlotte Keim keine
Nachricht, sondern rief die Zentrale an. Ich fragte, ob jemand im Haus sei, der
eine Adresse für mich ausfindig machen könne?
    Nein, beschied mich der Mann in der
Zentrale, es habe in La Jolla ein Problem gegeben, und der Zentralcomputer sei
abgestürzt. Aber Mr. Ripinsky sei in seinem Büro; ob ich ihn sprechen wolle?
    Und ob ich wollte.
    »Wie geht’s dir?« fragte ich, als er
sich meldete.
    »Besser; dieser Infekt kommt und geht.«
    Diese immer wiederkehrenden Anfälle
machten mir Sorgen, aber ich wußte, es würde nichts bringen, ihn zu drängen,
einen Arzt aufzusuchen. Hy war zwar jemand, der Krankheiten nicht gern nachgab,
aber unvernünftig war er nicht; er würde schon merken, wann er etwas
unternehmen mußte.
    »Gage hat mir erzählt, was heute
gelaufen ist. Deshalb hatte ich die Hoffnung aufgegeben, daß du noch kommst,
und bin ins Büro gegangen, um ein paar Computerunterlagen zu checken. Mein Pech
— der Computer geht nicht!«
    »Bist du noch eine Weile da?«
    »Ja. Leute von der Data-Search-Nachtschicht
organisieren gerade eine Poker-Runde. Ich dachte, ich setze mich dazu und warte
ab, ob der Computer wieder funktioniert.«
    »Dann komme ich später noch vorbei.
Drück mir die Daumen.«
    »Wofür?«
    »Erkläre ich dir, wenn ich da bin.
Drück sie mir einfach.«
    Also marschierte ich jetzt wegen eines
störrischen Computers durch eine der ungemütlichsten Straßen der Stadt zu Eric
Sparlings Scheckschalter-Etablissement, die Hand wieder auf meiner 38er und
wieder mit schlechtem Gewissen, weil ich mich inzwischen permanent auf die
Waffe verließ. Das umstrittene Hilfsprogramm unseres Bürgermeisters — dazu
gedacht, die Obdachlosen aus der Innenstadt zu vertreiben — mochte vielleicht
am Civic Center und am Union Square Wirkung zeigen, nicht aber auf der Sixth
Höhe Howard. Vor einer geschlossenen Sandwichbude bettelte ein Mann mit einem
kleinen Hund um Kleingeld; in einem Hauseingang schlief eine Frau mit einem
Einkaufswagen, der ihre gesamte armselige Habe enthielt. Überall arme Seelen,
dazu noch die Besoffenen, Drogensüchtigen, jugendlichen Ausreißer, Zuhälter und
Nutten — die ganze traurige Kehrseite des Großstadtlebens. Ich ging zielstrebig
und mied jeden Blickkontakt.
    Von außen wirkte das Ace-Check Cashing
wie ein neonblinkendes Spielcasino in Las Vegas, aber innen sah es aus wie eine
Kreuzung zwischen einer Dorfbank und dem Besuchsraum in einem Bezirksgefängnis:
ein hoher Tresen, zwei Schalter mit automatischer Drehdurchreiche und
Mikrophonen. Glas — vermutlich schlag- und schußsicher — vom Tresen bis zur
Decke. Nur eine der Schalterkabinen war besetzt — mit einer weißhaarigen Frau,
deren schiefergraue Augen sagten, daß sie Dinge gesehen hatten, von denen ich
nichts ahnte. Mit mikroverstärkter Kettenraucherinnenstimme fragte sie: »Kann
ich was für Sie tun?«
    Ich hielt meinen Ausweis hoch und
fragte, ob Sparling da sei.
    Die Frau studierte meine Lizenz
eingehend, nahm dann einen Telefonhörer ab, drückte einen Knopf, drehte sich
weg und sprach leise in die Muschel.
    »Mr. Sparling möchte wissen, worum es
geht«, beschied sie mich. »Sagen Sie ihm, es geht um die Freia.«
    Offenbar war meine Stimme jenseits der
Scheibe genauso laut zu hören wie ihre diesseits, denn sie gab meine Auskunft
nicht weiter, sondern lauschte nur Sparlings Antwort. »Er sagt, das Boot liegt
an seinem Platz im Jachthafen von Salt Point.«
    »Jetzt vielleicht, aber vorhin war es
nicht da — um halb sechs, als ich Mavis Hamids Leiche aus dem Wasser gefischt
habe.«
    Die Frau zeigte keine Reaktion. Sie
hörte Sparling zu und zeigte dann auf eine Tür am Ende der Trennbarriere. »Ich
mache Ihnen auf.«
    Noch ehe ich durch die Tür war,

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