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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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Beale?«
    »Werden Sie mich eigentlich nie Charlie nennen?«
    »Mensch, Alma, der Mann schläft unter unserem Dach.«
    »Will, es wird noch eine ganze Weile so bleiben zwischen Mr. Beale und mir. Das hier sind gute Menschen, Mr. Beale. Ich unterrichte ihre Kinder. Da bekommt man viel mit.« Sie wandte sich an Charlie und lächelte ihm zu. »Ich bin einfach nur schüchtern. Will mag das nicht, aber so bin ich eben. So wird man, wenn man nicht viele neue Leute kennen lernt.«
    »Wie Sie meinen, Ma’am.«

    Sie lachte, berührte ihn leicht an der Hand. »Bloß weil ich schüchtern bin, heißt das noch lange nicht, dass ich auch Ihre Mutter bin. Nennen Sie mich Alma.«
    »Kommt mir ein bisschen unausgewogen vor.«
    »Wird nicht lange dauern. Eines Tages werde ich Sie bei Ihrem Vornamen nennen.«
    »Ich bin ein geduldiger Mensch.«
    Will wandte sich an ihn. »Alma hat recht. Gute Menschen. Und unterm Strich sind die meisten glücklich.«
    »Und wir haben gute Manieren. Das gleicht das aus, was am Glück noch fehlt.«
    Will lachte. »Sam Mohler hat mal zu mir gesagt, als ich noch richtig jung war: ›Weißt du‹, sagte er, ›ich glaube, die Leute entscheiden sich relativ früh, wie glücklich sie werden. Und dann legen sie einfach los und werden es.‹ Das war etwa einen Monat, bevor er in seinem eigenen Garten von Jackson Taylors Sohn überfahren wurde, der mit sechzehn betrunken am Steuer saß. Jackson Taylor verkaufte Autos, und Jack Junior hatte sich sieben Minuten zuvor im Gebrauchtwagenhandel seines Vaters ein Auto ausgeliehen, mit dem er Sam dann überfuhr. Ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, was auch immer Alma sagt.« Er stand auf. »Apropos, lasst uns ein bisschen Eis holen. Unter die Leute gehen.«
    Die Frauen kannte Charlie aus der Metzgerei. Die Männer stellte Will ihm vor, und so setzte sich die Stadt allmählich für ihn zusammen wie ein Puzzle, Ehemänner und Ehefrauen und Kinder, und sie alle grüßten ihn mit der gleichen freundlichen Distanz, und keiner fragte ihn, wie er eigentlich dazu gekommen war, in einer Metzgerei in Brownsburg, Virginia, zu arbeiten.
    Will holte drei Schalen mit Eis und setzte sich wieder zu
Alma und Charlie, die an einen Picknicktisch im Schatten umgezogen waren. Das Eis begann bereits zu schmelzen. In diesem Moment fuhr ein langes, schwarzes Automobil vor, und Boaty Glass stieg aus, ging zur Beifahrertür hinüber und öffnete die Tür  – damals machten die Männer das noch  –, und dann stieg sie aus. Da war sie wieder. Und alles ging von vorne los.
    Sie trug ein Kleid mit ausgestelltem Rock, königsblau, seidig, ärmellos, wie man es auf einer Cocktailparty tragen würde, aber bestimmt nicht zu einem Gartenfest der Baptisten. Sie hatte eine perfekte Figur, leicht gerundet, weich und füllig für eine so junge Frau, obgleich sie neben ihrem ausladenden Ehemann gertenschlank wirkte. Ihre Beine waren lang und wohlgeformt, und sie hatte ihr blondes Haar auf eine Weise mit einem Haarband zurückgestrichen, die Charlie an irgendein Mädchen aus einer Zeitschrift erinnerte.
    Sie war groß, größer als ihr Mann. Hätte sie neben Charlie gestanden, wäre sie sogar ein winziges bisschen größer gewesen als er, erst recht in diesen Schuhen.
    Sie sah wie eines dieser Pin-up-Girls aus, deren Bilder die Männer mit in den Krieg genommen hatten und die sie sich in einsamen Nächten anschauten, nachdem sie ihren Freundinnen nach Hause geschrieben hatten. Ein Pin-up-Girl mit Sonnenbrille, die Augen vor der Welt verborgen. Zusammen sahen Boaty und Sylvan wichtig aus, wie Leute, die man in der Zeitschrift Life sehen konnte.
    »Ihn kennen Sie«, sagte Will. »Aber über sie wollen Sie bestimmt mehr erfahren. Erzähl’s ihm, Alma.«
    »Ich weiß nur, was jeder in der Stadt weiß.« Alma hielt inne, als versuchte sie sich an irgendeine besondere Geschichte zu erinnern, eine Legende, die sie als Kind gehört
hatte. »Es gibt einen Ort, etwa fünfzehn Meilen von hier, namens Arnold’s Valley. Ist schwer zu erreichen, aber dennoch ein sehr schönes, wildes Fleckchen Erde. Wie unberührt von der Zeit, ein Garten Eden. Ich bin nur ein einziges Mal dort gewesen, vor langer Zeit. Seit Generationen leben dort die gleichen fünfzehn, sechzehn Familien, seit Gründung des Ortes, und sie mögen weder Fremde noch das moderne Leben.
    Niemand fährt dorthin, es sei denn, die Behörden wollen die Bewohner dort mal wieder dazu bringen, dass sie ihre Kinder in die Schule schicken, und vor ein

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