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Ein Winter mit Baudelaire

Ein Winter mit Baudelaire

Titel: Ein Winter mit Baudelaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Cobert
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können wir uns nächstes Wochenende sehen, ich hätte Zeit … Oder vielleicht auch mal unter der Woche, abends, wir könnten zusammen was trinken gehen, ich habe in den nächsten Tagen Luft … Tja … Also …. Ich hoffe, dirgeht’s gut … und den anderen auch. Bei mir ist alles in Ordnung … Ich hab da so ein paar Dinge am Laufen, werd’s dir erzählen … Ruf mich an und sag mir, ob wir uns treffen sollen … wenn du kannst … Grüß Gaëlla und den Kleinen von mir … Das war Philippe … Montagabend …«
    Er legt auf und schaut auf das Display seines Handys. Er öffnet das Adressen-Menü und geht die Namen durch, deren Nummern gespeichert sind. Auf dem Eintrag »home« hält er inne und betrachtet ihn schweigend, bis das Display erlischt. Er legt das Handy aufs Bett. Starr sitzt er da, mit gesenktem Kopf, sein Blick versunken im staubigen Grau des Teppichbodens.
    Er weint.

Postlagernd
    Am nächsten Morgen wacht er auf, als es hell wird. Nach den Schreien, den Beschimpfungen, den Nörgeleien, dem ständigen Kommen und Gehen in den Fluren und Zimmern herrscht endlich Stille im Hotel.
    Er steht auf, öffnet das Fenster. Auch in der Umgebung ist es friedlich, verglichen mit dem nächtlichen Radau. Die Luft ist so frisch, dass ihm eine leichte Gänsehaut über die Arme läuft.
    Lange nimmt er die Stille des anbrechenden Tages in sich auf. Er betrachtet den schmalen Himmelsstreifen zwischen den Dächern und den Gebäuden der Straße. Das fahle Licht der Morgendämmerung ist dabei, die letzten Reste der funkelnden Dunkelheit auszulöschen. Dies ist der Moment, in dem sich der Sternenprinz und die Prinzessin der Morgenröte erkennen können.
    Als sich das Blau zu behaupten beginnt, kehrt Philippe ins Zimmer zurück, nimmt ein Blatt Papier und einen Stift aus seiner Umhängetasche, setzt sich aufs Bett und schreibt auf, worum er sich heute als Erstes kümmern muss: »Post, Waschsalon, Job«.
    Das Wort »Post« umkreist er mehrmals und geht in den Badezimmer-Verschlag. Vor dem Becken wäscht er sich, sogut er kann, trocknet sich mit dem Waschlappen und dem brettharten Handtuch ab.
    Als er angezogen ist, begibt er sich mit dem Müllbeutel, der seine schmutzige Wäsche enthält, nach unten. An der Rezeption vertritt eine junge Inderin den Mann vom Vorabend. Philippe gibt ihr den Schlüssel.
    »Guten Tag …«
    Sie antwortet mit einem Nicken und einem kurzen Lächeln.
    »Entschuldigen Sie, wissen Sie, wo ich hier einen Waschsalon und eine Post finde?«
    »Zum Waschsalon: wenn Sie rauskommen links, dann die zweite rechts. Hat jetzt schon auf. Zur Post wieder hierher zurück, dann rechts und die erste links.«
    »Danke.«
    »Gern geschehen.«
    Während sich seine Wäsche in der Trommel dreht, frühstückt Philippe im gegenüberliegenden Café und lauscht den Gesprächen am Tresen, wo Café-Croissant und Weißwein, Anzug-Krawatte und blauer Overall, Café noisette und Bier friedlich koexistieren: die Krise, die Inflation, die Politik, die Beamten, der Fußball, die Frauen, die Männer, die Frauen und Männer, die Einwanderung, die Globalisierung, die Arbeitslosigkeit, alles wird durchgekaut, begleitet von Scherzen oder Schimpftiraden.
    Eine Stunde später, als Philippe gerade seine heiß aus dem Trockner genommenen Sachen faltet, kommt ein Mann um die vierzig mit rotem, von tiefen Falten durchzogenem Gesicht in den Waschsalon und mit ihm ein leichter, aber durchdringender Geruch nach Schweiß, schmutzigen Füßen und ungewaschenen Achseln. Wortlos und ohne Philippe auch nur eines Blickes zu würdigen, stopft er eine derMaschinen mit Kleidern voll, die er aus einem gelben Wachstuchsack zieht, der vom Schleifen über den Asphalt abgeschabt ist. Dann geht er zum Automaten, an dem man das Waschprogramm auswählt und seine Geldmünzen einwirft. Laut durchpflügt sein Finger das Wechselgeldfach, er brummt vor sich hin und hämmert, als er nichts findet, gegen den Metallkasten, bis er anfängt, in seinen Taschen zu wühlen und seinen Reichtum an Münzgeld hervorzukramen.
    »Haste mal ’nen Euro?«
    Philippe hebt den Kopf, geht zu ihm und gibt ihm, worum er gebeten hat.
    »Haste auch ne Fluppe?«
    Philippe zückt seine Schachtel und gibt ihm eine. Der Mann schiebt sie sich hinter das rechte Ohr.
    »Noch eine?«
    Philippe gibt ihm noch zwei und kehrt zu seiner Wäsche zurück. Der Mann setzt seine Maschine in Gang und legt sich auf eine der für die Kunden vorgesehenen Bänke.
    »Diese Dreckskerle, montieren jetzt Sitze in der

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