…«
Sie gehen zurück in den Flur. Der Hotelbesitzer schließt die Tür ab.
»Ach übrigens, Sie hatten doch weiterhin vor, das Zimmer im Voraus zu bezahlen, oder?«
Philippe sieht ihn verdutzt an.
»Ich … ja, wenn Ihnen das lieber ist …«
»Dann wäre es gut, wenn Sie Ihre drei nächsten halben Tage heute Abend bezahlen könnten.«
»Aber … ich habe Ihnen doch gestern Abend hundertachtzig Euro gegeben!«
»Ebendrum.«
Philippe runzelt die Stirn.
»Moment mal, es waren doch sechzig Euro pro Nacht, oder?«
»Ja, pro Nacht .«
»Was soll das heißen, ›pro Nacht ‹?«
»Nun ja, es gibt schließlich auch noch den Vormittag und den Nachmittag. Mit Ihren Sachen drin kann ich das Zimmer nicht anderweitig nutzen. Und ich bin leider nicht die Heilsarmee, bei mir muss die Kiste laufen!«
Die beiden mustern sich.
»Überlegen Sie’s sich, und dann geben Sie mir Bescheid«, sagt der Hotelbesitzer schließlich mit einem kurzen Lächeln und einer Geste zur Tür des Zimmers, die er gerade abgeschlossen hat.
Im Süden geht die Sonne unter
Am nächsten Tag findet Philippe, nachdem er von morgens bis abends mit seinem Koffer und seinem Computer durch die Straßen und Viertel der Hauptstadt gestreift ist, an der Porte d’Orléans endlich ein Standardhotel einer großen Kette, in dem es noch freie Zimmer gibt, vierzig Euro die Nacht, Frühstück inklusive, mit Badezimmer, Toilette und sogar einem Fernseher.
Nach einer ordentlichen Dusche zappt er vom Bett aus ein paar Minuten lang durch die Programme und wird rasch vom Schlaf übermannt.
Am nächsten Morgen begibt er sich zur nächsten Poststelle und verständigt sich mit dem Schalterbeamten darauf, dass seine Briefe bis zum Monatsende von einer Postlagerung zur nächsten nachgesendet werden, was ihm Zeit gibt, »seine Adressanten über diese neuerliche Adressenänderung zu informieren«.
Am frühen Nachmittag findet er ein Café mit WLAN, in dem man sein Bleiben toleriert, ohne ihn unter Druck zu setzen, etwas zu bestellen. Man bietet ihm sogar einen Tisch in unmittelbarer Nähe einer Steckdose an, damit er seinen Computer anschließen kann. Zwischen Online-Bewerbungen auf einige Stellenangebote schickt er Sandrine eine lapidareE-Mail, um ihr seine neue Adresse mitzuteilen, die zweite innerhalb von zwei Tagen.
Von: Philippe Lafosse
Gesendet: 28. 05. 2008 15: 28: 57
An: Sandrine Moncin
Betreff: Neue neue Adresse
Philippe Lafosse
Postlagernd
Poststelle Porte d’Orléans
Place du 25 Août 1944
75014 Paris
Die Antwort ist prompt und ebenso lapidar:
Von: Sandrine Moncin
Gesendet: 28. 05. 2008 15: 29: 32
An:
Betreff: Re: Neue neue Adresse
Okay.
Die zehn Tage, die ihn noch von dem Wochenende trennen, an dem er mit Jérôme verabredet ist, verrinnen in einem ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus, der fast zur Routine wird: Frühstück im Eingangsbereich des Hotels, Gang zur Post, um vorliegende Briefe abzuholen – in der Hauptsache Rechnungen und das Einschreiben mit dem Formular 48SI, das seinen Führerschein für ungültig erklärt –, Zeitungslektüre bei einer Tasse Kaffee, je nach Wetterlage auf einer Terrasse oder drinnen eingenommen, zum Mittagessen ein Sandwich in einer Grünanlage oder einer Einkaufspassage, Jobsuche oder Nachhaken bei den Stellen, für die er sichbereits beworben hat, Spaziergang, schnelles Abendessen im Stehen, später Kino oder Fernsehen. Wenn seine Mutter anruft, um sich nach ihm zu erkundigen, nimmt er nicht ab, sondern ruft zurück, wenn sie auf der Arbeit ist, und hinterlässt beruhigende Nachrichten.
Parallel dazu gelingt es ihm sogar, einige Vorstellungsgespräche für Tätigkeiten als Verkäufer oder Vertreter zu ergattern. Und so beginnt der große Bewerbungs-Marathon zwischen Personalreferenten, Personalchefs und Psychologen aller Arten mit ihren verwirrenden, gewollt raffinierten Fragen:
»Sind Sie eher der Typ Bademantel oder Handtuch?«
»Einfarbige oder gemusterte Socken?«
»Waschen Sie sich mit oder ohne Waschlappen?«
» Insel der Versuchung oder Derrick ?«
Nicht zu vergessen die vielen Fragen und unausgesprochenen Zweifel, die seine Adresse natürlich heraufbeschwört. Und schließlich die vage Antwort:
»Wir rufen Sie an.«
Zur Entspannung begibt sich Philippe von Zeit zu Zeit ins Quartier Montparnasse und geht in die Fnac auf der Rue de Rennes. Er kauft nichts, sondern schlendert