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Ein Winter mit Baudelaire

Ein Winter mit Baudelaire

Titel: Ein Winter mit Baudelaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Cobert
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das Büro mit Rücksicht auf den schulfreien Tag schon um 12 Uhr 30, und außer an Freitagen, die als Auftakt zum Wochenende schon um 14 Uhr 30 enden, wobei dann natürlich die Mittagspause zwischen 12 und 14 Uhr entfällt. Selbstverständlich hatte es die Frau am Stehtisch nicht für nötig gehalten, ihn zu fragen, ob er einen Termin ausgemacht hatte. Und selbstverständlich konnte der Berater, ein anderer als der, mit dem er am Vormittag zu tun hatte, nichts für ihn tun, obwohl er direkt vor ihm saß. »Da haben wir klare Vorgaben«, erklärte er ihm mehrmals. Nach der telefonischen Terminvergabe hätte Philippe warten müssen, bis ihm eine schriftliche Vorladung zugeschickt worden wäre. Womit sich wieder die drängende Frage nach seiner Adresse stellt, denn solange dieses Problem nicht gelöst ist, kann er keine weiteren Schritte unternehmen.
    Es ist also kurz nach 17 Uhr, als Philippe die Räume des Arbeitsamtes verlässt. Im Eiltempo begibt er sich zur nächsten Postfiliale, um zu klären, wie und wohin er sich seine Post nachsenden lassen kann, doch er findet sich vor verschlossenen Türen wieder.
    Zurück im Hotel, bittet er den jungen Mann an der Rezeption um seinen Schlüssel. Der tippt etwas in die Tastatur seines Computers, entschuldigt sich mit einem verlegenen Lächeln und verschwindet durch eine Tür hinter der Theke. Nach einigen Minuten kehrt er mit einem Müllsack und einem Koffer zurück, der dem von Philippe auffallend ähnlich sieht.
    Begleitet wird er von zwei Sicherheitsleuten und einem Mann um die vierzig mit grau melierten Schläfen und kantigem Unterkiefer.
    »Monsieur Lafosse?«, fragt der Mann mit förmlichem Lächeln.
    »Ja. Gibt es ein Problem?«
    »Es tut mir leid, aber ich muss Sie auffordern, unser Hotel zu verlassen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Im Hinblick auf unsere Gäste können wir Ihr Verhalten nicht länger dulden.«
    »Ich … ich sagte Ihnen doch: Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Mehrere Gäste haben sich darüber beschwert, dass Sie zu nachtschlafender Zeit fernsehen, und zwar laut.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Na, hören Sie mal, Sie sind doch ein Hotel und keine Kaserne mit Zapfenstreich und Ausgangssperre!«
    »Und über den Zustand, in dem unser ReinigungspersonalIhr Zimmer vorgefunden hat, möchte ich mich lieber nicht weiter äußern …«
    Philippe will etwas entgegnen, aber der Mann mit dem kantigen Unterkiefer kommt ihm zuvor.
    »Monsieur Lafosse, zwingen Sie mich nicht, zu unschönen Mitteln zu greifen.«
    Er wirft den beiden Sicherheitsleuten einen vielsagenden Blick zu, worauf die Männer mit breiter Brust einen Schritt vortreten.
    »Ich habe für zehn Tage im Voraus bezahlt, das können Sie nicht mit mir machen!«
    »Hier ist das Geld für die Nächte, die Sie nicht mehr in diesem Hotel verbringen werden.«
    Er legt die geschuldete Summe auf die Theke, während der junge Mann von der Rezeption Philippe den Koffer und den Müllbeutel vor die Füße stellt. Philippe starrt den vier Männern nacheinander ins Gesicht, nimmt das Geld, seine Sachen und geht zum Hotelausgang. Die Sicherheitsleute folgen ihm in dichtem Abstand. Philippe bleibt stehen und dreht sich zu ihnen um.
    »Okay, okay, okay …«
    Die beiden Schießhunde sehen den Mann mit dem kantigen Unterkiefer fragend an.
    Philippe geht schweigend weiter. Als die automatische Schiebetür aufgleitet, dringt verstohlen das gedämpfte Dröhnen der Autobahn in den Eingangsbereich des Hotels.

Bahnhofsviertel
    Mit seinem Gepäck in der Hand klappert Philippe die Hotels der Peripherie ab. Alle sind voll belegt oder behaupten, es zu sein. In einem so überschaubaren Bereich kennen sich die Geschäftsführer untereinander. Ein Anruf zieht im Nu konzentrische Kreise.
    Um kurz nach 20 Uhr steigt Philippe in einen Vorortzug Richtung Hauptstadt. Einige Fahrgäste sehen ihn schief an. Es geschieht ungewollt, und sie verschanzen sich schnell wieder hinter ihren Masken der Gleichgültigkeit. Aber ihr Blick verweilt den Bruchteil einer Sekunde zu lang auf Philippes Müllbeutel, ehe er sich in der Leere einer Fensterscheibe oder dem Alibi einer Landschaft verliert. Als er neben einem dieser Menschen Platz nimmt, will der sofort aufstehen, doch als er merkt, dass Philippe sauber ist und sein Körper keine abstoßenden Gerüche verströmt, besinnt er sich anders und vertuscht die angedeutete Geste, indem er tut, als hätte er sich in der Station geirrt.
    Am Bahnhof Saint-Lazare sucht

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