Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Winter mit Baudelaire

Ein Winter mit Baudelaire

Titel: Ein Winter mit Baudelaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Cobert
Vom Netzwerk:
fluchen:
    »Idiot!«
    Philippe geht den Boulevard hoch, ohne sich umzudrehen.

Nachtruhe zu verkaufen
    Nach einem langen, ziellosen Fußmarsch kehrt Philippe ins Hotel zurück. Von seinem Streifzug hat er sich Gratis-Zeitschriften mit Wohnungsanzeigen mitgebracht. Er legt sie auf die Theke und bittet den Hotelbesitzer um seinen Schlüssel.
    »Die 69?«
    Als er hochgehen will, spricht der Mann ihn an: »Suchen Sie eine Wohnung?«
    Philippe dreht sich zu ihm um.
    »Jedenfalls etwas zur Miete. Warum?«
    »Ich hab da vielleicht was, das Sie interessieren könnte. Haben Sie fünf Minuten?«
    Philippe will antworten, aber da klingelt sein Handy. Auf dem Bildschirm erscheint der Vorname »Jérôme«.
    »Entschuldigen Sie mich.«
    Er tritt ein paar Schritte zur Seite und nimmt das Gespräch an.
    »Ja!«
    »Tut mir leid, dass ich nicht früher anrufe, aber es sieht so aus, als wäre bei mir in den nächsten zehn Tagen die Hölle los!«
    »Ah … Dann wird es also schwierig mit dem Treffen.«
    »Nächstes Wochenende schon, da muss ich nämlich zu einer Fortbildung in die Provinz. Aber das Wochenende drauf geht auf jeden Fall!«
    »Okay, super.«
    »Gut, dann merke ich dich fürs Wochenende vom 7. Juni vor.«
    »Schon Juni …«
    »Tja, verrückt, wie schnell das geht, stimmt’s? Und sonst? Wie geht es dir? Gestern Abend hast du dich ein bisschen bedrückt angehört …«
    Der Hotelbesitzer taucht vor Philippe auf und bedeutet ihm, dass er gleich wiederkommt. Philippe nickt, worauf der Mann in dem kleinen Zimmer hinter der Theke verschwindet.
    »War nur die Müdigkeit, nichts Schlimmes.«
    »Sicher?«
    »Ja, ja, mach dir keine Sorgen.«
    Irgendwo hinter Jérôme klingelt ein Telefon.
    »Gut, Phil, ich muss jetzt aufhören.«
    »Okay.«
    »Wir telefonieren vor dem Siebten noch mal.«
    Jérôme legt auf. Mit einem großen Schlüsselbund in der Hand ist der Hotelbesitzer in Begleitung der jungen Inderin wieder aufgetaucht, die seinen Platz hinter der Theke einnimmt.
    »Gehen wir?«
    Ein paar Straßen weiter betreten sie ein Gebäude. Nach sechs Etagen Aufstieg durch ein Treppenhaus mit ramponierten Wänden und schiefen Stufen gehen sie durch eine kleine Tür am Ende eines Flurs und erklimmen eine weitere, sehr enge Treppe. So gelangen sie in den siebten Stock, in einen langen, verschlungenen Flur mit niedrigerDecke und einer Unzahl von kleinen Türen, durch die die unterschiedlichsten Küchengerüche, Kindergeschrei und Gesprächsfetzen in fremden Sprachen dringen. Vor einigen dieser Türen stehen Gaskocher, mit Küchenabfällen gefüllte Plastiktüten oder übereinandergestapelte Schuhe.
    Sie bleiben vor einer Tür stehen. Der Hotelbesitzer rasselt mit seinem Schlüsselbund.
    »Versailles ist es nicht gerade, aber was zählt, ist doch das Dach über dem Kopf, oder?
    Sie betreten ein Mansardenzimmer, das bis auf wenige Abstriche wie ein exaktes Pendant des Hotelzimmers aussieht. Die gleichen Maße, wenn auch mit weniger Rauminhalt, pockennarbige, alte Steinwände. Der gleiche spartanische Komfort – Eisenbett, Matratze, Nackenrolle, Laken und Decken –, das Waschbecken allerdings in einer Zimmerecke direkt in die Wand eingelassen, dazu an einem Nagel ein rechteckiger Spiegel von der Größe eines Papierbogens.
    »Die Toilette?«
    »Auf dem Flur. Wollen Sie sehen?«
    »Warum nicht …«
    An einer Flurecke führt eine kleine Tür zu einem Stehklosett.
    »Und das ist noch nicht alles …«
    Der Hotelbesitzer klappt einen an der Wand befestigten Lattenrost herunter und klemmt ihn auf der Toilettenwanne fest. Triumphierend deutet er auf einen Duschkopf, der aus der Decke ragt.
    »Die Dusche!«
    Sie gehen zurück in das Zimmer. Philippe schaut aus dem Fenster, das zum Innenhof des Gebäudes hin liegt.
    »Wie viel?«

    »Siebenhundert pro Monat, Nebenkosten inklusive.« Philippe nickt mechanisch.
    »Das ist der Marktpreis, wissen Sie …«
    Philippe geht ein paar Schritte durchs Zimmer.
    »Vermutlich ohne Mietvertrag?«
    Der Hotelbesitzer lacht auf.
    »Warum nicht gleich mit Bezahlung per Dauerauftrag, wo wir schon dabei sind!«
    Philippe ringt sich ein schmales Lächeln ab.
    »Das heißt also auch keine Kaution?«
    »Das ist der Vorteil.« Die rechte Hand aufs Herz gedrückt, fügt der Hotelbesitzer hinzu: »In unseren Kreisen zählt ein Ehrenwort …«
    »Ich werd’s mir überlegen.«
    »Natürlich, kein Problem! Aber warten Sie nicht zu lange, vielleicht bis morgen oder höchstens übermorgen. Die Nachfrage ist nämlich groß

Weitere Kostenlose Bücher