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Ein Winter mit Baudelaire

Ein Winter mit Baudelaire

Titel: Ein Winter mit Baudelaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Cobert
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von Laternen beleuchtet wäre, in der die Fensterläden zugeklappt wären, verriegelt und in Dunkelheit getaucht. Um welche Uhrzeit er durch welchen Stadtteil, durch welche Straße auch läuft, immer ist jemand da, direkt vor ihm oder auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig, jemand, der kommt oder geht. Und so gibt es auch immer irgendwo Licht, sei es eine erleuchtete Dachluke oder ein schwarzes Fensterviereck, in dem die bläulichen Blitze eines laufenden Fernsehers zucken, der die Schlaflosigkeit oder Einsamkeit bekämpfen soll.
    So weit er auch geht, nie ist er irgendwo allein. Gegen ein Uhr morgens verlangsamen sich seine Schritte. Wieder landet er auf einer Bank. Er zieht die Schuhe aus, massiert sich die Füße, zieht die Schuhe wieder an. Er streift sich den Pullover über, rollt den Blouson zusammen und legt sich auf die Seite, die unter den Kopf geschobene Jacke fest umklammert. Er schließt die Augen. Der waagerechte Teil der Bank besteht wie die Rückenlehne aus zwei Planken, zwischen denen ein kleiner, mehrere Zentimeter breiter Zwischenraum klafft, der ihm entweder gegen die Hüfte oder, wenn er sich ganz zusammenkauert, gegen die Rippen drückt. Alle zwei Minuten muss er die Position wechseln.
    Kurz vor dem Einnicken wird ihm kalt. Er zieht den Blouson an, legt sich wieder hin, die Arme unter den Kopf geschoben. Zur Ruhe kommt er immer noch nicht. Er dreht sich auf den Rücken. Jetzt drücken die beiden Bretter der Bank gegen Steißbein und Wirbel.
    Dazu die Geräusche, eine Vielfalt von Geräuschen – Autos, Passanten, knallende Türen, Absätze, die vom Asphalt der Bürgersteige widerhallen, Gespräche, die näher kommen und sich entfernen, auf seiner Höhe angelangt, manchmal verstummen –, alles und zugleich nichts, doch es reizt den Gehörsinn, weckt die Aufmerksamkeit, hält ihn in einem unsteten, brüchigen Halbschlummer gefangen.
    Als fahl der Morgen anbricht, hat er nur ein paar Stunden geschlafen, Stunden so zersplittert wie zerschlagenes Glas.

Überleben
    Die Metro fährt in die Station ein. Während die Fahrgäste aus- und einsteigen, hält er sich auf dem Bahnsteig im Hintergrund.
    Die Stoßzeit ist vorbei. Die Wagen werden zwar nicht mehr von hektischen, gestressten Menschenmassen gestürmt, doch an den Wochentagen kommt es permanent zu leichtem Gedränge. Erboste Seufzer, Schulterstöße, gereiztes Murren, gequetschte Füße, Beschimpfungen, so laut geknurrt, dass sie gehört werden, während man schon feige die Flucht ergreift, um rasch ins Freie zu gelangen oder umzusteigen.
    Als das Signal das Schließen der Türen ankündigt, steigt er in einen der Wagen. Es gibt noch leere Klappsitze. Auch ein paar Plätze in den Viererkarrees. Die Gesichter sind eingemauert in die gewohnte Gleichgültigkeit, glatt und verschlossen wie Eisenmasken, nur das Ziel ihres unterirdischen Transits vor Augen.
    Die Türen knallen zu, und nach sekundenlangem Zögern fährt der Zug ruckelnd los. Philippe hält sich an den beiden senkrechten Metallstangen fest, holt tief Luft und trägt mit gesenktem Kopf, den Blick auf den konturlosen Boden geheftet, die akustischen Versatzstücke vor, die schon tausendfachvon anderen heruntergeleiert wurden: Entschuldigen Sie die Störung, keine Wohnung, keine Arbeit, Leben auf der Straße, ein bisschen Kleingeld, um mir zu helfen, ein Restaurantscheck, eine Metrokarte, nur eine Zigarette, sauber bleiben, essen, im Warmen schlafen.
    Wortlos geht er zwischen ihnen her. Ausweichende Blicke, die sich in ein Buch oder eine Zeitung flüchten, Papierschilde, die man hastig aufschlägt. Oder der MP3-Player, der lauter gestellt wird. Hier und da geht ein verzerrtes Lächeln wie ein Fallgitter auf ein Gesicht nieder. Nur ein Chinese gibt ihm einen Euro.
    An jeder Station wechselt er den Wagen und wiederholt die Prozedur. An der Endstation macht er weiter, nun in entgegengesetzter Fahrtrichtung. Nach anderthalb Stunden hat er fast zehn Euro eingenommen.
    An einem Knotenpunkt, an dem sich mehrere Metrolinien kreuzen, steigt er in einen neuen Zug. Als er die Stimme erhebt, tut im selben Moment am anderen Ende des Wagens ein Mann von hünenhafter Statur das Gleiche. Ihre Worte prallen gegeneinander. Sie sehen sich an, kapitulieren und steigen beide an der nächsten Station aus.
    Er will davoneilen, aber der andere winkt ihn zu sich. Er zögert, dann geht er hin.
    Sie setzen sich auf das Bahnsteigmäuerchen. Der Hüne zieht eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und bietet ihm eine

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