Ein Wirbelwind namens Millie (German Edition)
„Die Stadt hat eine gute Größe, Isabelle. Entweder es gibt sie noch nicht so lange, oder die Leute pflegen ihre Häuser gut. Hast du den Laden schon gesehen?“
Isabelle sank neben ihr auf die Bank. „Die Städte sehen doch alle gleich aus. Wie kannst du dir so sicher sein, dass wir in der richtigen Stadt sind?“
Das Licht einer anderen Gaslampe beleuchtete einen Teil des Bahnhofschildes. „Auf dem Schild da hinten steht Gooding, und der Bahnhofsvorsteher hat es auch gerufen. Wir sind hier bestimmt richtig.“
Isabelles Kopf sank bis auf ihre Brust. „Es ist sowieso egal, wo wir sind.“
„Du wirst deine Meinung sicher ändern, wenn wir erst einmal im Laden sind. Die Wohnung ist direkt über dem Laden.“
Mehr hatte Daniel nicht gesagt. Obwohl Millicent gerne mehr Details gewusst hätte, hatte er immer nur sehr vage von dem Laden und der Wohnung gesprochen. Da er das gesamte Haus von einem Cousin gekauft hatte, wusste er vermutlich keine weiteren Einzelheiten. Er vertraute seinen Verwandten.
Kisten und Boxen stapelten sich neben einem der letzten Waggons. Daniel machte ein paar Handbewegungen und weitere Kisten folgten. In New York war sie so mit ihrer Schwester beschäftigt gewesen, dass ihr gar nicht aufgefallen war, wie viel ihr Mann nach Amerika verschifft hatte.
Jetzt kam er zurück. „Das ist alles.“
„Du hast genug mitgebracht, um den Laden komplett auszustatten.“ Sofort presste sie die Lippen aufeinander und wünschte sich, sie könnte ihre Worte zurücknehmen. „Entschuldige bitte.“
„Das sind nur die Sachen für unsere Wohnung. Der Laden verfügt bereits über ein gutes Lager, aber ich möchte den Laden trotzdem gern nach meinen eigenen Wünschen umorganisieren.“
Ein schlacksiger Mann kam auf sie zu. „Dan!“ Er schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter. „Wird aber auch langsam Zeit, dass du hier auftauchst.“
„Orville. Wie ich in meinem Telegramm geschrieben habe, gab es unvorhergesehene Zwischenfälle.“
Der Fremde lächelte Millicent und Isabelle an. „Sieh mal einer an.“ Er strich sich über seine spärlichen Haare und wippte auf seinen Füßen vor und zurück. „Du alter Gauner! Du hast ein Kindermädchen erwähnt, aber ich habe gedacht, es wäre nur eins und noch dazu alt und hässlich.“
„Millicent ist meine Frau. Millicent, das ist mein Cousin Orville Clark.“ Daniels Worte klangen wie Eis.
„Frau?!“
„Mr Clark.“ Millicent nickte höflich.
„Und die andere Dame ist meine Schwägerin, Mrs Quinsby.“ Mit einem großen Schritt stellte sich Daniel zwischen Isabelle und Orville. „Wenn du mir den Schlüssel gibst, kann ich meine Familie in ihr neues Zuhause bringen.“
„Sicher. Ich trage die Taschen da.“ Er schnappte sich zwei Taschen.
Daniel nahm den kleinen Arthur aus Millicents Arm und murmelte: „Arthur ist zu schwer für dich. Du kannst ihn nicht so lange tragen.“
Trotz der späten Stunde redete Orville ununterbrochen auf dem Weg vom Bahnhof bis zur Eingangstür des Ladens. Glücklicherweise war Arthur so müde, dass er davon nicht aufwachte. Vor dem Laden zückte Orville einen Schlüssel und warf Millicent einen verlegenen Blick zu. „In den letzten Wochen bin ich zwischen den beiden Läden immer hin und her gerannt, um sie am Laufen zu halten – mein Futterladen ist zwei Straßen weiter da drüben“, sagte er und deutete in die angegebene Richtung. „Es ist ganz schön hart, zwei Läden gleichzeitig zu betreiben. Wenn Daniel nicht mein Cousin wäre, hätte ich nicht so lange gewartet. Es gab viele Männer, die mir den Laden abgekauft hätten.“
Eine Türglocke ertönte, als er die Tür aufstieß. Erschrocken richtete sich Arthur auf und schrie. „Schsch.“ Daniel wiegte ihn sanft hin und her. „Schsch.“
„Daran wird sich der Junge wohl gewöhnen müssen.“ Orville machte eine ausladende Handbewegung. „Nach euch.“
„Sir, wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnten Sie vielleicht eine Kerze oder Lampe anzünden?“ Durch die dreckigen Fenster drang das Licht der Gaslaternen an der Straße kaum ins Innere des Ladens. Viel konnte Millicent von außen von dem Laden nicht sehen, aber das, was sie sah, reichte ihr. Sie hatte den unbändigen Drang, sich jetzt gleich einen Besen zu schnappen. Doch sie tat es nicht – und zwar nicht, weil der Laden nicht ganz dringend geputzt werden müsste, denn das stand außer Frage, sondern weil sie Orville Clark dann mit dem Besen ordentlich verprügelt hätte.
„Oh, hatte
Weitere Kostenlose Bücher