Ein Wirbelwind namens Millie (German Edition)
braunen Augen hielten ihrem Blick stand. „Bitte, Mr Clark. Fragen Sie noch einmal nach. Vielleicht war alles ein Missverständnis.“
„Das hat doch keinen Sinn. Ich habe ihn gesehen. Es ist Frank.“
„Ich muss ihn selbst sehen.“
Er zuckte heftig zusammen. „Nein!“ Sofort senkte er wieder die Stimme. „Die Verletzungen sind ... unansehnlich. Frank würde es nicht wollen, dass Sie ihn so das letzte Mal sehen und sich an dieses Bild von ihm erinnern.“
„Sie haben gesagt, dass ich für meine Schwester stark sein muss. Wir können nicht zulassen, dass sie ihn so noch einmal sieht. Ich ... ich werde es für sie tun. Damit ich es ihr sagen kann. Sie wird sonst keinem glauben. Nur mir.“
Seine Kiefermuskeln zuckten. „Sie können mir glauben.“
„Ich weiß, dass ich das kann. Aber Isabelle wird Ihnen nicht glauben. Sie kennt Sie kaum.“
Erneut hockte er sich vor sie hin. Langsam zog er etwas aus seiner Tasche und drückte es ihr in die Hand. „Das hier wird sie überzeugen. Isabelle weiß, dass er es nie hergeben würde.“
Alles in Millicent weigerte sich, in ihre Handfläche zu schauen, doch sie musste es tun. Daniel hatte ihr die Zweicentmünze in die Hand gelegt. Da lag sie wie ein glitzernder Beweis dessen, was sie gerade gehört hatte und nicht glauben wollte – die Zweicentmünze mit dem eingeritzten Kreuz. Ihre Finger schlossen sich um die Münze. Tief in ihrem Herzen wusste Millicent, dass Isabelle auch für die Münze eine Erklärung finden und weiterglauben würde, dass Frank noch am Leben war. Vielleicht war ihm die Münze nur gestohlen worden. „Ich muss ihn sehen, sonst glaubt sie mir nicht.“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah ihn bittend an. „Er ist ihr Ehemann. Bitte, lassen Sie mich das für meine Schwester tun.“
„Ich würde Ihnen trotzdem davon abraten.“
Millicent senkte den Kopf. Herr, gib mir die Kraft. Bitte hilf mir, ich schaffe das nicht alleine. Sie schlug die Augen auf und atmete tief ein. „Gott und ich – wir sind alles, was Isabelle noch hat. Als unsere Eltern starben, haben sie sie beerdigt, ohne dass wir sie noch einmal gesehen haben. Selbst Jahre später haben wir uns manchmal eingebildet, Mutter oder Vater irgendwo zu sehen. Ich muss Frank sehen, damit ich ihr das ersparen kann.“
Der Weg zu dem kleinen Raum verschwamm vor Millicents Augen. Dort stand ein Bettgestell, über das ein Laken ausgebreitet war. Darunter konnte man eine Gestalt erkennen. Mr Clark legte ihr seinen Arm um die Schultern. „Wir können hier stehen bleiben ...“
Schnell fuhr sich Millicent mit der Zunge über die trockenen Lippen und schüttelte den Kopf. Mit ein paar Schritten stand sie neben der Bahre. Als sie die Stiefel sah, die unter dem Laken hervorlugten, begann sie wieder unkontrolliert zu zittern. Das waren Franks Stiefel.
Mr Clark hielt sie fest.
Jemand zog das Laken ein kleines Stück nach unten – gerade genug, dass man den oberen Teil des Gesichts bis zum Schnurrbart sehen konnte. Der Atem gefror Millicent in den Lungen. „Er ... er ... er ist es.“
Langsam zog Mr Clark sie aus dem Raum. „Das wollte ich Ihnen ersparen. Hier. Setzen Sie sich hin.“
„Nein.“ Sie befreite sich aus seinem Arm und drückte die Hand gegen ihre Stirn. „Ich ... muss ... Isabelle.“
Mr Clark versuchte sie zu beruhigen und drückte sie auf einen Stuhl. „Trinken Sie das.“ Er hob eine Tasse an ihre Lippen und flößte ihr einen Schluck ein.
Automatisch schluckte sie, aber das Wasser wollte erst gar nicht an dem Kloß in ihrem Hals vorbeirutschen. „Was sollen wir jetzt nur machen?“
„Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie und Isabelle gehen zurück nach England, oder Sie heiraten mich, damit Sie in den Staaten bleiben können. Ich denke, die Heirat wäre die bessere Möglichkeit.“
Ungläubig starrte Millicent ihn an. „Ich bin völlig durcheinander, Mr Clark. Ich weiß, dass ich Sie nicht richtig verstanden habe –“
„Doch, das haben Sie. Ich frage Sie, ob Sie meine Frau werden wollen.“
Kapitel 13
„Ich liebe Sie aber gar nicht“, brach es aus Millicent heraus, bevor sie noch darüber nachdenken konnte.
„Wir respektieren uns gegenseitig und wir sind beide gläubige Christen. Liebe ... die Liebe kommt vielleicht später.“
Hatte sie gestern nicht dasselbe gedacht, als das schwedische Mädchen den fremden Mann geheiratet hatte? Dass sie hoffte, wie in den biblischen Ehen, die Liebe würde im Lauf der Zeit
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