Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
Tesco.«
»Ihr kauft bei Tesco ein?«, fragte Zach viel zu laut.
»Sie liefern ins Haus«, zischte Elizabeth.
»Früher hast du mich immer einkaufen geschickt«, flüsterte Zach.
Das gefiel Ten-Tons offensichtlich nicht. Er sah seine Tochter finster an. Sie ignorierte ihn. »Du hast es immer so hartnäckig angeboten«, wisperte sie. »Wie eine nette kleine Ratte.«
Ten-Tons packte Zach am Handgelenk. »Was höre ich? Ihr habt miteinander gesprochen – hinter meinem Rücken?«
»He!«, sagte ich mit meiner normalen Sprechstimme, und der Laut wogte durch die Menge wie der Abwind von einem Hubschrauber. »Zurück zur Sache. Das hier ist todernst – wenn Sie das verdammte Gemüse nicht essen, was machen Sie damit?«
Man roch sie schon von weitem. Schweinegülle hat etwas Unverwechselbares. Es gibt nichts, was auch nur annähernd so riecht oder annähernd so lange in der Nase bleibt.
Wie schon erwähnt, hatte man die Gegend Potteries and Piggeries genannt. Ich fragte mich, ob Ten-Tons’ Vorfahren sich bewusst dafür entschieden hatten, ihre Schweine unter die Erde zu verlegen. Oder waren die Schweinekoben langsam eingesunken wie ein Thunderbird bei der Landung auf Tracy Island? Letzteres, entschied ich, als Ten-Tons mich an der Hand durch eine Reihe schwach mit Kutschenlaternen erhellter Gewölbe führte, in denen sich fette Albinoschweine suhlten. Die Tröge waren randvoll mit dem gemischten Gemüse, das wir Kevin Nolan vor zwei Tagen hatten anliefern sehen. Es überraschte mich schon gar nicht mehr, dass von mir erwartet wurde, dass ich die Viecher anfasste. Ten-Tons schubste mich praktisch einer gigantischen Sau entgegen, die mit dem Rüssel im Matsch stöberte. Auch wenn meine Mum aus einem kleinen Dorf mitten im Waldstammt, bin ich alles andere als ein Landmensch. Ich mag es nicht, wenn mein Schinkensandwich neugierig an meinen Fingern schnüffelt. Aber manchmal heißt Polizist zu sein: Luft anhalten und hoffen, dass man Schwein hat.
Die Haut der Sau war rau, warm und fühlte sich unbehaglich menschlich an. Ich kraulte probehalber ein bisschen. Die Sau gab ein ermunterndes Grunzen von sich.
»Feine Schweine«, flüsterte ich Ten-Tons zu. »Sehr fleischig.« Ich schwöre, manchmal habe ich keine Ahnung, woher das Zeug kommt, das ich rede.
Ich fragte mich, ob Kolibakterien durch die Nahrungskette weitergegeben wurden. Das würde ich herausfinden müssen. Und ich musste einen Hygienebeamten hier runterlotsen, der a) nicht sofort schreiend wegrannte und sich b) nicht an die Medien oder – noch schlimmer – an Thames Water wenden würde.
Es stank zwar, aber in einer völlig luftdichten unterirdischen Anlage wären wir vermutlich schon lange an Gasvergiftung gestorben. Im Zwielicht konnte ich die bleichen Umrisse von Männern mit nacktem Oberkörper erkennen, die Schweinemist auf Schubkarren schaufelten – dorthin verschwand der Gestank also. Mir fiel eine hübsche Greenpeace-Aktivistin ein, mit der ich einmal während einer Demo auf dem Trafalgar Square ins Gespräch gekommen war und die mir detailreicher, als mir lieb war, erklärt hatte, dass Schweinemist sich nicht als Dünger eignete. Er war eher mit Giftmüll aus einer Fabrik zu vergleichen. In die Themse entsorgten die Stillen ihn aber bestimmt nicht, sonst wäre schon längst Mama Themse vorbeigekommen und hätte sie sich vorgeknöpft.
»Was machen Sie mit dem Schweinemist?«, fragte ich.
Ten-Tons drückte meinen Unterarm auf eine Art, die, wie ich inzwischen erkannt hatte, Anerkennung bedeutete, und zog mich einen mit glänzenden weißen Kacheln verkleideten Gang entlang. »Sie lassen sich leicht und schnell reinigen«, erklärte er flüsternd, als ich stehenblieb und über die glatte Oberfläche strich.
Wir folgten einem der Männer mit Schubkarre in ein gleichfalls weiß gekacheltes Gewölbe. Dort öffnete der Mann eine Luke im Boden und kippte die Soße mit einer geübten Bewegung hinein. Dann holte er einen bereitstehenden Eimer Wasser, spülte die Schubkarre aus und schwemmte den Rand der Luke sauber. Aus einem Wasserhahn in der Wand füllte er den Eimer wieder und schob die Schubkarre zurück in den Gang, vermutlich für die nächste Ladung. Ihm kam schon der nächste Schweinehirt mit einer weiteren Schubkarre Mist entgegen.
Als Ten-Tons mich in den nächsten Raum führte, dachte ich, ich wüsste, was nun kam.
Ich irrte mich.
Die Zahlen schlug ich später nach: Ein durchschnittliches Schwein produziert pro Kilo Körpergewicht über
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