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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Road ein reiches Vorkommen guten gelben Lehms.
    Sofort rückten die Ziegelmacher an, und bald säumten Brennöfen und die ironischerweise aus allen möglichen Materialien zusammengezimmerten Hütten der Ziegelmacher die neuernannte Pottery Lane. Und da es zur Vorbereitung auf einen anstrengenden Tag des Ziegelbrennens nichts Besseres gibt als ein Schinkensandwich, kamen als Nächste die Schweinebauern, deren Vieh sich im Matsch und Müll hinter den Brennöfen suhlte. Aber eine Stadt wird nicht nur mit Ziegeln und Schinkenstullen erbaut. In das umliegende Land schlugen andere Garanten für das Londoner Wachstum ihre eisernen Klauen – die Eisenbahngesellschaften. Um die Bahnlinien zu bauen, wurde ein Heer von Navvies gebraucht, und die nisteten sich dort ein, wo die Mieten niedrig, der Fusel selbstgebrannt und die Polizei so was wie eine exotische Legende war.
    Die Gegend fungierte fortan unter dem Namen Potteries and Piggeries. Hier wohnten auch Eugene Beale und seine Kameraden in den Jahren, ehe sie reich wurden. Und Eugene Beales Spitzname, sozusagen sein nom de Baustelle , war Ten-Ton Digger – ich glaubte nicht, dass das ein Zufall war.
    Den Mittelpunkt der Idylle bildete ein künstlicher Seevoller Schweinescheiße, der in der Gegend als »Der Ozean« bekannt war. Da selbst die Viktorianer gewisse Standards hatten, wurde dieser See, als das Gebiet schließlich von London verschluckt wurde, nicht in ein Wohngebiet, sondern einen Park umgewandelt.
    Und ich vermutete, dass sich genau darunter, in der besten Tonerde Londons, die Heimat des Stillen Volkes befand.
    Wir wurden durch eine Reihe von Tunneln geführt, alle mit glatten Steinzeugziegeln ausgekleidet. Abgesehen von dem Mangel an Licht und Überwachungskameras hätte es eine besonders triste U-Bahn-Station sein können.
    Die beiden mageren weißen Burschen in Adidas-Hoodies, die uns führten, wirkten auf mich vertraut, wenn auch nicht besonders geheuer. Manchmal, wenn sie in die Richtung zeigten, in die wir gehen sollten, blitzte eine Hand mit langen weißen Fingern auf. Obwohl sie Wraparound-Sonnenbrillen trugen, mieden sie das Licht unserer Taschenlampen.
    In einem der Gänge herrschte ein merklicher Durchzug, in einem anderen hörte man – ich schwöre es – ein Geräusch wie von Wäschetrocknern. Ich erschnupperte sogar einen Hauch Weichspüler.
    Eines war sicher: Falls das die kannibalischen Nachkommen eines verlorenen Stammes von Navvies waren, waren sie zumindest etwas gepflegter als die im Film.
    »Ich hab das Gefühl, sie entspannen sich langsam«, sagte Lesley, als einer der beiden anhielt, um uns durch einen Durchgang zu winken.
    »Ja, weil wir jetzt auf ihrem Kiez sind«, sagte Zach.
    »Kiez?«, fragte Reynolds.
    »Pflaster«, sagte ich.
    Als Reynolds immer noch ratlos wirkte, versuchte ich es mit: »Terrain?«
    »Nachbarschaft«, sagte Zach.
    »Alles klar«, sagte Reynolds.
    Einer der Kapuzenträger beugte sich zu Zach und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Er sagt, wir sollen die Lampen ausschalten«, erklärte Zach. »Tut ihren Augen weh.«
    Wir zögerten – wir dachten alle dasselbe. Ich spürte, wie Lesley und Agent Reynolds leicht ihr Gewicht verlagerten, sich Armfreiheit verschafften und Reynolds sicherstellte, dass ihre Glock griffbereit war. Wir konnten nicht anders. Wir sind Polizisten – situative Paranoia ist da Einstellungsvoraussetzung. Wir müssen ein ganzes Examen darin absolvieren.
    »Wir können auch einfach wieder zurückgehen«, sagte Zach. »Mir egal.«
    Ich atmete tief ein, ganz langsam aus und schaltete mein Grubenlicht aus. Lesley und Zach folgten meinem Beispiel, und schließlich auch Reynolds, wobei sie etwas vor sich hin murmelte.
    Die ersten Sekunden war alles in Ordnung. Dann war ich plötzlich wieder unter dem Bahnsteig in Oxford Circus. Ich hörte, wie mein Atem schneller wurde, aber während ich mich noch bemühte, ruhig und tief zu atmen, begann ich heftig zu zittern. Da packte eine feste Hand meinen Arm, glitt daran hinab zu meiner Hand und drückte sie – das musste Lesley sein. Ich war so überrascht, dass ich meine Panik vergaß.
    Mit einem Mal öffnete sich eine große Doppeltür, undvor uns lag ein in schwaches grünes Licht getauchter Raum. Lesley ließ meine Hand los.
    Es war ein richtiggehender Saal mit hoher gewölbter Decke, von der ein Lüster hing, in dem statt Kerzen chemische Leuchtstäbe steckten. Darin standen Angehörige des Stillen Volkes, dichtgedrängt wie Pendler in der U-Bahn. Sie waren

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