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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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zehnmal so viel Mist wie ein Mensch, und so groß wie die Schweine hier waren, ergab das, man kann es nicht anders sagen, Riesenhaufen Schweinescheiße. Die nebenbei das übelriechendste tierische Nebenprodukt überhaupt darstellt – nicht gerade dazu geeignet, dir unter deinen Nachbarn Freunde zu machen. Aber wenn man nun diese Brühe durch ein sogenanntes ideales Strömungsrohr laufen lässt, kommt am anderen Ende richtig guter Dünger heraus, und als Zugabe bekommt man reines Methan. Dadurch neutralisiert sich auch der Geruch, was schon allein einGrund ist, warum diese Technik in manchen Schweinefarmen angewandt wird. Leider benötigt man in den kühleren Klimazonen, wie etwa in unserer, den größten Teil des Methans dazu, eine effiziente Betriebstemperatur aufrechtzuerhalten, darum hat die Technologie in Nordeuropa nie so recht Fuß gefasst – auch wenn sie eine von diesen nachhaltigen Low-Tech-Wirtschaftsmethoden ist, die von Entwicklungshilfeorganisationen, Greenpeace und Männern mittleren Alters in Tweedjacken mit Lederflicken an den Ellbogen propagiert werden.
    Ich hatte mit etwas Schlichtem gerechnet.
    Was ich erblickte, war ein zehn Meter hohes Gewirr von Messingröhren, geschmückt mit Reglern, Anzeigen und Verschlussklappen. Zwei ältere Männer in Moleskin-Hosen, weißen Hemden und ärmellosen Lederwesten bedienten zwei Reihen von Bremshebeln, die so aussahen, wie ich mir ein altmodisches Stellwerk der Bahn vorstellte. Eine von mehreren stufig montierten Signalpfeifen im Zentrum der Anlage ertönte, und einer der beiden Ingenieure trat flink zu einer Reihe Anzeigen. Er tastete mit den Fingern über das Zifferblatt – es hatte kein Glas –, zog dann in schneller Folge zwei Hebel und drehte das Stellrad einer Klappe eine Vierteldrehung nach links. Das Signal verstummte.
    Nach sieben Jahren hatte der Zahn der Zeit meinen Kenntnissen in angewandter Chemie ziemlich zugesetzt, aber mein Grundlagenwissen reichte noch aus, um zu erkennen, dass ich eine Spaltanlage vor mir hatte – auch wenn sie aussah wie einem Roman von Jules Verne entsprungen. Das Stille Volk bereitete seine schweinischen Kohlenwasserstoffe im industriellen Maßstab auf.
    Und da wurde mir klar, dass Tyburn unrecht hatte.
    Nie und nimmer durfte die Existenz des Stillen Volkes an die Öffentlichkeit gelangen. Wenn nicht das Hygieneamt oder die Arbeitsschutzbehörde dafür sorgen würde, dass die Raffinerie stillgelegt wurde, dann die kapitalschwere Einwohnerschaft des Viertels, unter dem sie lag. Und wahrscheinlich hätten sie alle sogar völlig recht, denn ohne Zweifel war das verflixte Ding mit genau jenem legendären Sinn für Sicherheit und Wohlbefinden der Arbeiter gebaut worden, dessentwegen es ein solcher Spaß gewesen war, in den Fabriken des viktorianischen Zeitalters zu arbeiten.
    Ganz abgesehen davon, was der Tierschutzverband zu den Schweinen sagen würde und die Wasserschutzbehörde zu den Zugängen zur Kanalisation, die Erziehungsbehörde zur Ausbildung der Kinder – falls es überhaupt eine solche gab – oder die Sozialämter von Chelsea und Kensington zur Wohnsituation. Das Stille Volk würde so still und leise weggefegt wie ein Pygmäenstamm, der ein unglücklicherweise etwas zu bodenschatzreiches Gebiet des Regenwalds bewohnte.
    »Wir sind sehr stolz darauf«, wisperte Ten-Tons, der meine plötzliche Erstarrung für Ehrfurcht hielt.
    »Das glaube ich Ihnen«, flüsterte ich zurück und fragte ihn, wozu all das denn diente.
    Die Antwort war natürlich: um Brennöfen anzutreiben.
    Ten-Tons führte mich in eine Werkstatt, wo Stephen (allmählich konnte ich sie besser auseinanderhalten) soeben einen Topf auf einer Töpferscheibe formte. Er hatte bereits Publikum – Lesley und Reynolds, die von Elizabeth hierhergeführt worden waren. Lesley packte mich in der Art unserer Gastgeber am Arm und zog mich zu sich hinunter, bis sie mir ins Ohr flüstern konnte.
    »Wir müssen uns hier loseisen. Nicht mal Nightingale wird noch viel länger warten, bevor er beschließt zu stürmen.«
    Und zwar ohne Samthandschuhe.
    Selbst in dem düsteren Licht konnte Lesley mir meine Gedanken am Gesicht ablesen. »Ja«, sagte sie. »Und du solltest das Arsenal sehen, das sich die Leute hier zusammengehamstert haben.«
    »Ihr beide geht zurück«, flüsterte ich.
    »Und lassen dich hier allein?«, zischte sie.
    »Wenn was passiert, könnt ihr ja wiederkommen und mich holen.«
    Sie packte mich am Kinn und drehte meinen Kopf, so dass sie mir in die

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