Eindeutig Liebe - Roman
Fotografen versuchen, den Anblick einzufangen, und verkaufen die Bilder in kitschigen Rahmen an der Straßenecke, aber es ist einfach nichts besser, als einfach dort zu sein und es mit eigenen Augen zu sehen. Es wäre großartig, meine inneren Dämonen hier an dieser Stelle ein für alle Mal zur Ruhe zu betten, und ich kann mir niemanden denken, der mir besser dabei helfen könnte. Meine schöne kleine Dämonin.
Also habe ich Sandwiches gemacht, um mit ihr auf dem Hügel picknicken zu können. Aber in meinem Kühlschrank fand ich nur gruseligen Formschinken, angetrockneten Käse und Gurkengläser, die gerade von neuen Lebensformen kolonisiert wurden. Wenn es nur für mich gewesen wäre, hätte ich die komischen Stellen vom Käse abgeschnitten und bei den Gurken ein bisschen Ausgrabungsarbeit geleistet, aber die Sandwiches waren schließlich auch für Sienna. Und ich weiß genau, wie schön sie ist und welche Klasse sie hat. Sie war einfach zu gut für die entsetzlichen Studentenbudensandwiches meiner Vergangenheit – und leider auch der Gegenwart. Letztendlich entschied ich mich also, eine relativ frische Salatgurke und etwas von dem traurig aussehenden Huhn aufzuschneiden, das vom Abendessen übrig war. Wirklich toll war das allerdings nicht.
Noch immer mit den Gedanken bei dem erbitterten Widerstand, den mir das Brot geleistet hatte, als ich es total verkatert und mit einem stumpfen Messer hatte schneiden wollen, betrachtete ich Sienna, die es sich auf einem alten Danger-Mouse-Strandtuch gemütlich gemacht hatte. Die Sandwiches hatten den Park nie erreicht. Ich bekam Schuldgefühle, wenn ich daran dachte, dass ich sie in die Mülltonne an der U-Bahn-Station geworfen hatte, bevor ich mich mit ihr traf, und stattdessen in den nächsten Feinkostladen geeilt war, um neue zu kaufen. Ich hasse Verschwendung, und im Grunde war es um die alten Sandwiches doch schade.
Siennas langes braunes Haar glänzte und schimmerte in dunklen Rottönen, die nur zu sehen waren, wenn die Sonne schien. Eine übergroße, modische Sonnenbrille saß leicht schief auf ihrer Nase, weil ihr Kopf gegen den Boden drückte. Die Brille sah aus wie ein Statement. Ich musste mich zur Ordnung rufen, um sie nicht vorsichtig zur Seite zu drehen und ihr die Brille abzunehmen, damit sie richtig einschlafen konnte. Offensichtlich hatte sie den Schlaf bitter nötig. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihren Körper betrachtete, wie mein Blick an ihrem Hüftbein hängen blieb, das ich unter dem marineblauen Shirt von Franklin & Marshall sehen konnte, weil das Hemd hochgerutscht war, als sie sich hingelegt hatte.
Jetzt komm schon, Nick. Sei stark! Das hier sollte immerhin die große Veränderung sein, die mein Leben umkrempelte; auf keinen Fall wollte ich, dass mir die kindischen Sehnsüchte der Vergangenheit in die Quere kamen. Endlich konnte ich das Buch Sienna zuklappen und meine einseitige Liebesgeschichte beenden. Ihr wäre es sowieso egal. Außerdem hat sie Ben, dachte ich, und sie hat mich nie so gesehen, wie ich sie sehe. Denn wenn sie das getan hätte, dann würden wir jetzt im Wohnzimmer sitzen und eng umschlungen Wiederholungen unserer Lieblingskomödien gucken.
Eine Weile lang lagen wir still nebeneinander. Dann hob Sienna die Sonnenbrille und öffnete ihre meerblauen Augen. Sie sah mich fragend an. »Ach du je, kann man etwa meine Unterwäsche sehen? Ich trage heute schreckliche Wäsche …« Sie verstummte und zog mit dem Daumen am Saum der anstößigen Unterhose. Ich hatte es gar nicht bemerkt, aber jetzt, wo sie es ansprach, fand ich sie auch entsetzlich.
»So, ich habe uns Schickimicki-Sandwiches gemacht, Si«, verkündete ich und zog die in braunes Papier gehüllten kulinarischen Überraschungen aus meinem Rucksack. Sienna setzte sich ruckartig auf, schlug die Beine übereinander und legte die Hände erwartungsvoll zusammen.
Ich riss das knisternde Papier ab, und zum Vorschein kamen Sandwiches mit Brie und Preiselbeeren, die sehr danach aussahen, als stammten sie aus der Theke eines überteuerten Bio-Cafés. Sie würde es mir nicht abnehmen, oder? Ich krümmte mich innerlich zusammen, als die Schuldgefühle wieder hochkamen. Es war nicht nur, dass ich diese gekauften und mit Sorgfalt zubereiteten Sandwiches als meine eigenen ausgab; in meinen Ohren klingelte auch die Stimme meiner Mutter, die mir immer einen Vortrag über die vielen hungernden Kinder auf der ganzen Welt gehalten hatte, als ich noch klein war. Doch gerade mal vor einer
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