Eindeutig Liebe - Roman
paar Dummheiten gemacht, aber die Leute haben mich nicht so unterstützt, wie ich gehofft hatte. So kam es, dass ich plötzlich allein war. Das ist jetzt schon Ewigkeiten her. Zweitausendzwei war das. Beschissenes Jahr.«
Er trat gegen eine der Dosen vor seinen Füßen, und sie rollte den schrägen Beton hinunter, bevor sie an dem Hinterreifen eines Vauxhall Vectra liegen blieb. Der Parkplatz war klein und relativ ruhig, zumindest im Vergleich zu dem Lärm der Hauptstraße vor dem Gebäude, den man noch geradeso hören konnte.
Hier war Platz für zwanzig Autos, alles umgeben von einer ordentlich gestutzten Hecke, zwischen deren Ästen allerdings hier und da Schokoriegelpapier und Getränkedosen zu sehen waren. Ich wusste nicht, warum es die Bank überhaupt gab – der Parkplatz bot jedenfalls nicht gerade einen tollen Anblick. Außer der Bank und den Autos sah man nur noch die große blaue Mülltonne mit dem schwarzen Deckel.
Das also war sie, die Geschichte eines Abstiegs in knappen Worten. Ein oder zwei kurze, hastig dahingesprochene Sätze fassten zusammen, was für die verlorene Seele neben mir jahrelange Qualen bedeutet haben musste.
Die Geschichte ging mir unglaublich zu Herzen, und ich fragte mich wieder, ob ich nicht einen Fehler begangen hatte. Ich hatte ihm nur einen Tee und ein paar Kekse bringen wollen, aber jetzt wollte ich ihm helfen, ihn retten. Manchmal bin ich so, aber das ist nicht gut. Schließlich gibt es in meinem Leben schon genug, wofür ich verantwortlich bin.
Am schrecklichsten fand ich, dass er zu akzeptieren schien, was er war, so als könnte es unmöglich einen Ausweg geben – als würde er für den Rest seines Lebens dort sitzen und darauf warten, dass es zu Ende ging.
Zusehen, warten, sich durchschlagen. In den Mülltonnen der Stadt nach Antworten suchen. Ohne Hoffnung, ohne Wünsche oder auch nur Träume. Sein Leben lag in Scherben; eigentlich war es bereits zu Ende.
Die absolute Hoffnungslosigkeit seiner Lage ließ mich frösteln. Ich stellte mir das Wrack des Zuges vor, das verbogene Blech, die Rauchwolken. Ich sah die Zeitungsfotografen vor mir, wie sie über Zäune kletterten und mit ihren Teleobjektiven versuchten, jeden Aspekt der Tragödie einzufangen. Ich stellte mir vor, wie die Rettungsmannschaften in leuchtenden Overalls mit reflektierenden Streifen die Hände vor den Köpfen zusammenschlugen und auf dem Kies an der Bahnstrecke innehielten, um von dort aus mit ungläubigem Gesichtsausdruck die Szene zu betrachten.
Ich weiß nicht, wieso ich das tat, doch ich legte meine rechte Hand auf seine linke. Manchmal tut man Dinge einfach instinktiv. Seine Hand fühlte sich rau an. Er zuckte zurück.
»Warum machst du das, Sally?«, fragte er und wandte sich mir mit einem breiten Grinsen zu.
»Sienna«, verbesserte ich ihn. »Ich weiß es nicht, ich glaube nur, du hast vielleicht schon vergessen, wie es sich anfühlt, nicht allein zu sein. Aber ich möchte nicht, dass du das vergisst. Ich glaube, alles wird wieder gut werden … das glaube ich wirklich.« Tränen traten mir in die Augen, und meine Unterlippe fing an zu zittern, als die Worte wie emotionale Suppe aus meinem Mund flossen. Himmel, war ich erbärmlich!
»Ach, Kleine«, erwiderte er. Es klang müde. »Ist schon gut. Ich bin ein Soldat, und ich habe sie trotzdem bei mir, sie bringt mich durch.« Er zog eine speckige Lederbrieftasche aus der Jacke und bohrte seine Nägel in ein kleines Innenfach. Schaler Biergeruch kroch zu mir herüber und stieg mir in die Nase.
»Da ist sie: meine schöne Jenny«, erklärte er und zog ein zerknittertes Foto heraus, das eine schlanke junge Frau mit langem blonden Haar zeigte. Es steckte in einer schmutzigen Klarsichthülle – ein vergeblicher Versuch, das Bild zu schützen. Jenny sah sauber, gesund und glücklich aus.
Ich stellte mir vor, wie er ausgesehen haben mochte, als er noch mit ihr zusammen war: frisch rasiert, mit Bürstenschnitt, im Anzug. Vielleicht hatten sie sogar ein Auto gehabt und eine Zeitung abonniert. Ich sah sie vor mir, wie sie sonntagnachmittags zusammen im Wohnzimmer saßen, Pete mit dem Sportteil, während Jenny das Feuilleton las.
Ich sah auf die Uhr; wir hatten zwanzig nach zwölf. Dann tat ich etwas völlig Spontanes.
»Kann ich das Bild für einen Moment mitnehmen, Pete?«
»Nein. Versteh das bitte nicht falsch, aber was ist, wenn du es verlierst? Das ist alles, was ich noch von Jenny habe, und es ist in keinem guten Zustand. Ständig wird es
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