Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
einen?“, fragte ich und zupfte ihn am Ärmel, nachdem er nicht reagierte.
Asmodeo drehte sich um und seine Augen kehrten von einer weiten Reise zurück. „Einen Scotch? Gerne.“ Er machte es sich in einem Sessel bequem.
Johannes nahm auf dem Sofa Platz und trank einen tiefen Schluck aus seinem schweren Kristallglas.
Im Schneidersitz setzte ich mich neben ihn. „Wann erwartest du deine Familie?“
„Frühestens morgen Mittag, aber eher am frühen Nachmittag. Meine Schwester Klara kommt vielleicht etwas später an.“
„Du hast doch eine ziemlich große Familie“, stellte ich mit gewisser Verwunderung fest. Obwohl mir Johannes von seinen Eltern und auch von seinen Geschwistern erzählt hatte, hatte ich ihn bislang seltsamerweise immer eher als einen Menschen wahrgenommen, der mehr oder weniger alleine auf der Welt war. In dieser Beziehung glich er Asmodeo. Jetzt hatten sie noch mehr gemeinsam, eigentlich wir alle drei, denn unsere Mütter lebten alle nicht mehr.
„Wie war denn deine Mutter?“ - Ich hatte meine Frage an Johannes gerichtet, aber es war Asmodeo, der mir antwortete. „Komisch, dass du mich danach frägst. Ich habe in den letzten Stunden oft darüber nachgedacht. Meine Mutter war beinahe schon schwermütig. Sie war viel mit sich selbst beschäftigt.“
Johannes beugte sich im Sofa nach vorne. Sein Interesse war geweckt. „Und wie war deine Beziehung zu ihr?“
Asmodeo drehte sein Glas in der Hand. „Schwer zu sagen. Ich nehme an, dass ich sie gemocht habe. Aber – verstehe mich jetzt nicht falsch, Johannes – sie war nur ein Mensch. Wenn ich jedoch an sie denke, habe ich das Gefühl, dass sie mir irgendwie fehlt.“
Johannes goss sich einen großzügigen neuen Scotch ein und reichte die Karaffe an Asmodeo weiter. Auch Asmodeo bediente sich ausgiebig.
„Meine Mutter war einfach unglücklich“, erklärte Johannes. „Sie vermisste das Meer. Sie sagte mir, dass unsere Sprache ebenso kalt sei wie das Wetter und die Menschen hier… Sie nannte mich m i terroncito de azúcar… “ - Johannes Stimme war immer leiser geworden und verlor sich. Er schwieg.
„Mein kleiner Würfelzucker“, übersetzte ich mühelos in die Stille, obwohl ich Spanisch nie gelernt hatte. Johannes horchte erstaunt auf und ich zuckte leicht verlegen mit den Schultern.
„Wisst ihr“, fuhr ich fort „ihr könnt euch wenigstens an eure Mütter erinnern. Ich habe alles vergessen, was mit meiner Mutter in Verbindung stand. Sie ist lediglich eine Fremde für mich, wenn ich mir alte Fotos ansehe.“
„Alles hat auch etwas Gutes“, sagte Asmodeo. „Du kannst dir deine Mutter vorstellen, wie immer du sie dir wünschst.“
Stille herrschte zwischen uns. Wir hingen unseren Gedanken oder Erinnerungen nach, blickten ins Feuer und nippten an unseren Drinks.
„Wie ist es eigentlich zu dem Unfall gekommen?“, fragte ich schließlich.
Johannes sah aus dem Fenster. „Nun, nachdem was mir mein Vater am Telefon erzählt hat, waren meine Eltern auf einer Landstraße in Norddeutschland unterwegs, als ein Wagen überholte und sie gefährlich schnitt. Mein Vater musste scharf bremsen, die Bremsen versagten und das Auto überschlug sich mehrmals.“
„Die Bremsen versagten?“ Asmodeos wirkte irritiert. „ Das ist ungewöhnlich. Wie alt war der Wagen deiner Eltern?“
„Keine Ahnung“, antwortete Johannes, „aber nicht älter als zwölf Monate. Mein Vater wechselt seine Fahrzeuge jedes Jahr.“
„Dann ist mir vollkommen schleierhaft, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Du solltest auf eine Überprüfung bestehen.“ Asmodeo schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Beide Männer sahen sich eine Weile an und ich konnte erkennen, wie sich Johannes Miene allmählich verschattete. „Das ist von der Polizei bereits in die Wege geleitet worden.“ Johannes Stimme klang metallen.
Wir schwiegen. Ich dachte an einen anderen Unfall, an den ich mich selbst nicht erinnern konnte und der gleichsam der Beginn meines jetzigen Lebens war.
Draußen hatte es aufgehört, zu regnen. Die Fenster und Straßenlampen der Stadt leuchteten hell. Die Scheinwerfer der Autos, die weit entfernt unter uns hin und her huschten, glichen seelenlosen Irrlichtern.
Erst als die Dämmerung mit ihren grauen Strahlen zaghaft über die Hochhäuser am Horizont glitt, gingen wir schlafen.
4
Unsere Nachtruhe war kurz. Wir frühstückten mit Kaffee und frischen Croissants. Das schlechte Wetter war weitergezogen, es war zwar noch kühl,
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