Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
sieh dir die Steine näher an. Du wirst begeistert sein. Sie sind fehlerfrei.“
Der Mann zieht eine Juwelierlupe aus seiner Tasche, setzt seine Brille ab, klemmt die Lupe an sein linkes Auge und beginnt, die Steine einen nach dem anderen zu inspizieren. Er vergisst mich, beziehungsweise uns, völlig.
Anfänglich beobachte ich ihn bei seiner Arbeit, aber sehr schnell langweile ich mich. Ich sehe hinaus durch die Glastür. Die Sekretärin telefoniert, ihr Gesicht ist weich und entspannt. Vielleicht spricht sie mit einem Familienmitglied. Jedenfalls ist es ein angenehmes Gespräch.
Der Mann vor mir beendet seine Inspektion. Bedächtig steckt er die Lupe in seine Jackentasche zurück, blickt auf und seufzt tief. Dann ergreift er einen antiken Füller mit einer Goldfeder, der vor ihm auf dem Tisch in einem Halter steht. Auf einen kleinen Notizzettel schreibt er mit feiner Schrift Zahlen, er dreht das Papier um und reicht es mir hinüber.
Ich hebe es ein paar Zentimeter an, bis ich die Summe lesen kann. Ich lache herzlich.
„Du bist immer für einen Scherz gut. Das liebe ich an dir, Rudi.“
Der Mann schluckt und setzt ein gekünsteltes Lächeln auf. Wieder ergreift er den Füller, debattiert innerlich mit sich selbst, wobei er seinen Kopf hin und her wiegt, mustert die Diamanten und schreibt schließlich entschlossen eine neue Ziffer auf einen neuen Notizzettel.
„Du hast Glück, Sina“, sagt er. „In Deutschland brauchen sie deine Diamanten dringend für eine Forschungsanlage. Deshalb kann ich dir einen außerordentlich guten Preis machen.“
Diesmal lange ich über den Tisch und ziehe das Blatt zu mir her. Ich drehe es um und lasse es aufgedeckt liegen. Mit meinem Fingernagel tippe ich auf das Papier. Heute habe ich pinke Nägel.
„Noch zehn Prozent mehr und wir sind im Geschäft.“
Der Mann blickt mich an und ich halte seinen Augen stand. Er nickt, seufzt tief und bestätigt. „In Ordnung, Sina. Zehn Prozent mehr. Auch wenn das mein geschäftlicher Ruin ist.“
Er streckt mir seine Hand entgegen und ich schüttele sie. „Du weißt es und ich weiß es, dass das ein fairer Handel ist. Wir verdienen uns beide goldene Nasen daran. Dein gegenwärtiger Lebenspartner wird mit dir zufrieden sein.“
Rudi lächelt mit einer leicht schmerzhaften Nuance, aber ihm ist klar, dass ich Recht habe.
Es gibt einen dumpfen Aufprall an der Verbindungstür. Wir sehen beide hinüber. Die Sekretärin presst ihr Gesicht gegen das Glas. Ihre Augen treten weiß aus ihren Höhlen.
Jemand hat von hinten seinen Arm um ihre Hüfte gelegt. Eine große schwarze Automatikpistole wird unter ihr Kinn gedrückt und ihr Kopf wird schräg nach oben geschoben. Ich habe den Eindruck, dass sie uns etwas zurufen, dass sie uns etwas mitteilen will. Ihr Mund öffnet sich mehrere Male, aber das schussfeste Glas verschluckt jeden Laut.
In ihren Augen steht pure Panik.
Und Todesangst.
Dann sehe ich, wie ihre Hand fieberhaft über die Scheibe zum Türrahmen tastet und dahinter verschwindet. Das surrende Geräusch ertönt, als sich die Sicherheitstür automatisch öffnet.
Der Eindringling schubst sie von sich weg. Die Sekretärin taumelt ein paar kleine, unsichere Schritte auf uns zu. Hoffnung keimt in ihrem vor Angst verzerrten Gesicht auf.
Sie hat den Raum halb durchquert, als der Schuss ertönt. Die Kugel schlägt in ihren Rücken ein und platzt aus ihrem Brustkorb mit einer roten Fontäne heraus. Das zaghafte Lächeln friert in ihrem Gesicht ein, weicht einem ungläubigen Staunen, bis ihre Augen brechen und ihr lebloser Körper mit weit ausgebreiteten Armen auf dem Konferenztisch aufprallt. Sie rutscht langsam zu Boden. Eine rote Spur bleibt zurück.
Ich kann den Eindringling jetzt sehen. Er ist mittelgroß, jung und drahtig. Seine Augen strahlen Kälte aus, sein Gesicht Entschlossenheit.
Rudi, mein Händler, kreischt laut auf. Seine Stimme überschlägt sich. Zitternd greift er zu den Diamanten, schiebt sie von sich weg, dem Angreifer entgegen.
„Das ist ein riesiges Vermögen. Nehmen Sie alles, was Sie wollen. Wir werden Sie nicht daran hindern. Damit können Sie ein sorgenfreies Leben führen. Und mehr als das. Viel mehr. Nehmen Sie es, bitte. Ich habe auch noch Bargeld im Tresor. Hier muss niemand mehr sterben.“
Um die Augen des Eindringlings bilden sich kleine Lachfalten. Rudi bemerkt sie ebenfalls und atmet erleichtert aus. Die Gefahr ist vorüber. Der Angreifer ist nur an Geld interessiert. Und Geld hat Rudi genügend.
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