Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
Gelenken herabglitten und zu Boden fielen. Alles verlangsamte sich, bis ich jede Bewegung, jede Aktion wie in einzelnen Bildern wahrnahm.
Dann sah ich in ein blaues und ein grünes Auge - das Gesicht von Daniel, davor war die gähnende Mündung seiner Pistole, die er auf mich gerichtet hielt. Mein Instinkt ließ mich leicht zur Seite ausweichen, als Daniel abdrückte. Die Kugel biss mir wie ein feuriger Peitschenhieb über den Oberarm und riss mich einmal um meine eigene Achse. Ich krachte auf meine Knie, überrascht, dass ich keinerlei Schmerz spürte.
Daniel war mit mir fertig, er richtete seine Waffe, die er mittlerweile mit beiden Händen hielt, auf ein anderes Ziel.
Er wollte Johannes erschießen.
Der kurzläufige Revolver dröhnte in meiner Rechten auf. Meine Kugel traf Daniel wie ein Schmiedehammer in der Brust. Er rutschte zur Seite weg und ich schoss nochmals und nochmals in ihn hinein, bis mein Hahn nur noch auf die leere Kammer traf. Immer und immer wieder fuhr mein linker Handrücken über den Hammer, zog ihn zurück und er fiel mit einem metallenen Klacken herunter.
Dann schloss sich eine Hand über meine Finger. Sie zwang mich, inne zu halten. Ich blickte auf und sah die Augen von Johannes vor mir.
„Es ist okay“, sagte er.
Keiner unserer Gegner war mehr auf den Beinen. Die Campingstühle waren umgeschmissen, der Eimer mit dem Blutsalz verschüttet. Im gesamten Raum roch es nach Gewalt und Tod.
Asmodeo ging zwischen den Körpern umher, die mit leeren, ausdruckslosen Augen die kalten Steinwände anstarrten.
„Lebt noch einer?“, fragte ihn Johannes.
Als Antwort ertönte ein Schuss. Asmodeo öffnete die Ladeklappe seines Revolvers und stieß die leeren Patronen aus.
„Jetzt nicht mehr“, antwortete er, bevor er neue Munition in seine Waffe schob.
Johannes und ich folgten seinem Beispiel, wir hatten lose Patronen in der Tasche und machten unsere Revolver sorgfältig schussbereit.
Ich zitterte und Johannes half mir auf die Beine.
„Geht es?“, wollte Asmodeo von mir wissen.
Mein Mund war trocken. Mühsam schluckte ich. „Ja, aber es ist ein Scheißgefühl“, brachte ich heraus. Doch das traf meine tatsächlichen Empfindungen in keinster Weise. Die Wahrheit war, dass mich eine Welle nie gekannter Euphorie erfasst hatte, als ich Daniel das Leben genommen hatte. Ich hätte laut herausschreien mögen, weil sich meine Tat so befreiend und berauschend angefühlt hatte.
Asmodeo betrachtete mich nachdenklich. Ich konnte nicht mit Gewissheit sagen, ob ihm gefiel, was er in mir zu erkennen glaubte.
20
Wir gingen durch die schwarze Öffnung. Hier war keine Elektrizität vorhanden und wir tasteten uns im Dunkeln voran. Der Weg führte steil nach unten. Er war ohne Zweifel bis vor kurzer Zeit mit Wasser gefüllt gewesen, das immer noch von den Wänden tropfte. Es hatte auf den Steinen Schlick und einen glitschigen Belag hinterlassen.
Erst in der großen Grotte hingen Lampen, die Pumpen arbeiteten hier fieberhaft und monoton. In einem hinteren Teil des Raumes war trotzdem noch eine große Wasserlache zu erkennen.
In der Mitte der Tropfsteinhöhle stand der eiserne Pfahl. Der Pfahl, an dem der junge Dämon gestorben war.
Der Pfahl war leer.
„Sie haben sie weggebracht, bevor wir kamen“, sagte Johannes.
„Nein, glaube ich nicht“, antwortete ich, denn ich spürte die Gegenwart einer weiteren Person. Sie versuchte unbeholfen, mit mir Kontakt aufzunehmen. Ihre Rufe, die ich in meinem Kopf hörte, waren schwach und unregelmäßig.
Langsam ließ ich meinen Blick durch die unübersichtliche Tropfsteingrotte wandern, bis er auf einem Haufen alter Decken hängen blieb. Ich rannte hinüber, begann wie eine Wilde an den Decken zu reißen, sie fortzuschleudern.
Schließlich sah ich blondes, kurzes Haar, verdreckt und verfilzt. Dann kam Sinas Gesicht zum Vorschein. Vor Entsetzen zog ich scharf die Luft ein. Es war geschwollen und blutverkrustet. Sie reagierte nicht, als ich sie ansprach.
Johannes und Asmodeo waren neben mir. Gemeinsam bemühten wir uns, die halb bewusstlose Frau möglichst behutsam aufzurichten. Sina stieß einen gellenden Schrei aus, schlug mit unfokussierten Augen in unsere Richtung, bevor sie versuchte, in die alten Decken zurückzurobben. Dabei gab sie bei jedem Atemzug Geräusche von sich, die an ein Wehklagen vermischt mit einem Schluchzen erinnerten.
Ich kroch zu ihr, unter die stinkenden, mottenzerfressenen Lumpen und drückte ihren bebenden Körper an mich.
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