Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
sich einen Löffel. Er sah auf.
Müller stand noch immer stocksteif im Türrahmen.
Clement deutete auf den Stuhl am gegenüberliegenden Ende des Tisches.
Müller schloss die Tür hinter sich, ging die rund zehn Schritte bis zum Esstisch und nahm Platz.
Vor ihm stand der zweite Teller klarer Suppe. Müller nahm seinen Löffel und tauchte ihn in die Brühe. Er führte den Löffel in Richtung seines Mundes, dann hielt er inne und senkte seine Hand.
Clement lächelte wissend. Er stand auf, ging hinüber zu seinem Gast, tauchte seinen eigenen Löffel in Müllers Bouillon und kostete. Wortlos ging er zu seinem Platz zurück und widmete sich seinem Essen.
Müller atmete gepresst aus und begann ebenfalls mit seiner Mahlzeit.
Keiner sprach.
„Rund fünfhundert Millionen Euro hat mich Ihre Lichtwellenforschung bislang gekostet“, durchschnitt Clements Stimme die Stille.
Müllers Hand begann zu zittern. Er brachte es nicht fertig, Clement anzusehen.
„Fünfhundert Millionen. Und kein Ergebnis. Das Projekt wird nie Profit abwerfen. Das sehe ich doch richtig?“
Müller konnte spüren, wie sich über seiner Oberlippe Schweiß bildete. Er wagte nicht, ihn wegzuwischen.
„Wir könnten Erfolg haben. Theoretisch“, sagte er und sah auf.
Clement erwiderte nichts. Seine hellgrünen Augen bohrten sich in Müllers Hirn. „Theoretisch?“
„Wir müssten es nur schaffen, ungefähr die zehnfache Menge an Energie aufzuwenden, die wir bisher benutzen, aber dann würde die komplette Anlage überlastet werden. Alles würde uns regelrecht um die Ohren fliegen.“
„Sie sprechen von einer Explosion“, Clements Stimme war sachlich, sein Ausdruck offen.
Müller entspannte sich. „Ja. Ich meine eine gigantische Explosion, die die gesamte Forschungsanlage einäschern würde. Abgesehen vom materiellen Schaden würden Hunderte von Mitarbeitern sterben.“
Clement nahm die Serviette und betupfte sich die Lippen. Er faltete sie zusammen und legte sie beiseite. „Exakt zweihunderteinundsechzig Mitarbeiter, um genau zu sein.“
Das Blut wich aus Müllers Gesicht. Seine Hand begann, erneut zu zittern, heftiger als zuvor.
Clement blickte kurz auf Müllers bebende Finger. „Die Anlage ist versichert. Sogar höher als ihr tatsächlicher Wert. Sollte sie explodieren, wäre es also kein finanzieller Verlust, sondern ein Gewinn. Ein Gewinn für uns beide.“
Müller suchte nach einer Erwiderung. Schließlich brachte er mit seltsam krächzender Stimme heraus: „Aber zweihunderteinundsechzig Mitarbeiter…, das ist doch furchtbar.“
Clements Mund versuchte sich in einer Art mildem Lächeln. „Es könnte viel schlimmer kommen. Es könnten zweihundertzweiundsechzig Mitarbeiter sein.“
Müllers Hand sackte schwer auf den Tisch. Sein Löffel entglitt ihm und fiel klappernd in den Teller. Einige Tropfen Suppe spritzten auf die makellose Glasplatte.
Clement wartete, bis sich Müller halbwegs unter Kontrolle hatte. „Wie lange brauchen Sie, um alle Vorkehrungen für eine solche Explosion zu treffen?“
Müller fühlte sich um Jahre gealtert. Er räusperte sich. „Dafür brauche ich keine Vorbereitungszeit. Ich muss nur die Sicherungen ausschalten, die die Energiezufuhr regeln und dann…“
Clement hob die Hand und unterbrach ihn. „Das geht jederzeit?“
Müller starrte ihn ausdruckslos an.
„Wie wär’s dann gleich heute Mittag, sagen wir gegen 12.00 Uhr?“
Clement erhielt keine Antwort und fuhr fort: „ Prima, Herr Dr. Müller, wir haben also eine Übereinkunft. Ich denke, der für heute geplante Besuch meines Bruders und Vaters ist ein würdiger Rahmen für unseren Abschluss. Finden Sie nicht auch?“
Es dauerte lange, bis Müller widerstrebend nickte.
„Wir beide, Sie und ich, müssen aber dafür Sorge tragen, die Anlage rechtzeitig zu verlassen, damit wir nicht selbst in Gefahr geraten“, sagte Müller schleppend.
Clement trommelte mit seinen sehnigen Fingern. „Das lassen Sie meine Sorge sein. Ich werde mich darum kümmern.“
Müller nickte erneut. Er nahm seine unbenutzte Serviette und wischte die verschüttete Suppe auf. Fettige Schlieren blieben auf dem Glastisch zurück - weitaus auffälliger als die Tropfen es gewesen waren.
6
Clement wartete, bis er sicher war, dass Müller sein Haus verlassen hatte. Dann stand er auf, ging hinüber zu dem Trophäen-Raum und verweilte. Die toten Augen seiner Tiere ruhten beruhigend auf ihm.
Er schlenderte zu einer Nebentür und öffnete sie mit einem
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