Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
Emotionen zu ordnen. Das Ergebnis war ein Chaos aus Wut, Angst und Verzweiflung.
Als er aufblickte, sah er direkt in die rotglühenden Augen des Raben. Der Vogel saß still auf dem Fenstersims, er bewegte sich nicht. Trotz allem war er ein Tier. Er mochte es nicht, in geschlossene Räume zu kommen. Seine Instinkte rieten ihm davon ab.
Cunningham musste dem Raben einen besonderen Grund geben, seine Vorsicht außer Acht zu lassen. Auch ein Rabe hatte seine Schwächen und Vorlieben – besonders nach einem langen, auszehrenden Flug waren seine Leidenschaften deutlich ausgeprägt.
Cunningham stand bedächtig auf und schritt ohne eine hastige Bewegung zu einem Stahltisch, der mit einem golddurchwirkten hellen Brokattuch abgedeckt war.
Er ergriff ein Ende des Stoffes mit spitzen Fingern, hob das Tuch an und schlug es behutsam, beinahe schon zärtlich, zurück. Er lächelte in Richtung des Raben, der ihn die ganze Zeit über fixiert hatte, und jetzt unruhig hin und her tänzelte, von einem Bein auf das andere, wobei sich die Krallen seines jeweils freien Fußes spreizten, in Vorbereitung auf das, was jetzt folgen würde.
Aus purer Diskretion verließ Cunningham den Raum. Als er sich wegdrehte, hörte er die Schwingen des Raben, die bald durch ein anderes Geräusch abgelöst wurden. Er vernahm ein Hacken, Schmatzen und Reißen.
Hoffentlich gefiel dem Raben die Leiche. Der Mann war bereits einige Stunden tot und vielleicht schon kalt. Der Rabe bevorzugte warmes Fressen. Leise schloss Cunningham die Tür hinter sich.
Draußen dämmerte der Morgen und das erste Licht spiegelte sich zartrosa in dem Bronzeschild rechts neben der Tür, als Cunningham den Raum erneut betrat. Ohne den Leichnam – oder das, was von ihm übrig war – näher zu betrachten, deckte er ihn ab und schob den Tisch in die äußerste Ecke des Zimmers.
Elisabeth räkelte sich auf ihrem breiten Bett, die schwarze Seidendecke war halb zurückgeschlagen und ließ ihn ihren einzigartigen Körper bewundern. Der Ausdruck ihrer Augen war ruhig, beinahe schon zufrieden. In ihrer Hand hielt sie das diamantbesetzte Medaillon. Sie hatte es geöffnet, betrachtete die beiden Portraits, die sich im Inneren befanden und lauschte der Melodie.
„Ich habe sie gefunden“, sagte sie. „Alle drei. Jetzt bist du an der Reihe, mein lieber Charles. Ablenken und Ausspionieren, lautet die Devise.“
6
Asmodeo hatte wirklich ein professionelles Fitness-Studio gekauft. Es verfügte über die neuesten Kraftmaschinen und man konnte die Gewichte stufenlos von fünf bis nahezu zweihundert Kilogramm verstellen. Er hatte schon ein paarmal damit trainiert und war einigermaßen zufrieden. Das hieß im Klartext, die Anlage war perfekt.
Ich hatte die Brustwunde von Johannes am Morgen nicht mehr verbinden müssen, sondern ihm nur ein leichtes Pflaster aufgeklebt. Sie war nahezu verheilt. Ich hatte mich darüber riesig gefreut, allerdings wurde meine Stimmung schnell getrübt, weil Johannes relativ gleichgültig auf diese positive Botschaft reagierte. Er hob seine Mundwinkel zu der Andeutung eines Lächelns, aber sein Lächeln blieb an der Oberfläche.
Ein leichtes Unwohlsein fing an, sich in mir auszubreiten - ein leises Unbehagen, das mich warnen wollte, dem ich aber keinen Platz ließ - aus Furcht, mehr zu erkennen, als ich erkennen wollte.
Wenigstens hatte mir Johannes auf mein Drängen hin versprochen, mit mir ab heute im Kraftraum zu trainieren. Allein darauf wollte ich mich konzentrieren.
Asmodeo hatte unter dem Vorwand des Platzmangels abgewinkt, sich uns anzuschließen, doch ich wusste es besser. Es hätte Johannes zu sehr frustriert, sich in seiner jetzigen körperlichen Verfassung mit Asmodeo vergleichen zu müssen.
Ich war Asmodeo sehr dankbar für seine Rücksichtnahme und hatte ihm einen liebevollen Blick zugeworfen. Asmodeo hatte zurückgelächelt. Erst als ich zur Seite sah, merkte ich, dass Johannes unsere stumme Kommunikation beobachtet hatte. Sein Gesicht war wie eine Maske, während er sich höflich mit uns unterhielt und sich von Asmodeo erklären ließ, welche Funktionen die Fitness-Station bot.
Und mein Unbehagen wuchs.
Johannes hatte sich wochenlang nicht mehr körperlich anstrengen können und war verständlicherweise sehr geschwächt. Er machte sich behutsam auf einem Rudergerät warm, wobei er nur seinen Oberkörper einsetzen konnte. Dabei geriet er schnell außer Atem, schwitzte stark und musste mehrere Pausen einlegen.
Anschließend
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