Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
Feldern unterwegs, der Fahrtwind kühlte herrlich und bis zum kleinen Hafen waren es nur wenige Kilometer. Ich beeilte mich, während ich mir überlegte, wie ich die Muscheln am besten zubereiten sollte und ob Johannes einen leichten Rotweinsud verkraften würde.
Der Kopfschmerz kam unerwartet wie ein glühender Dorn in mein Gehirn geschossen. Er setzte mich förmlich außer Gefecht.
Ich sah ausschließlich die Farbe dunkelrot. Dickflüssig glänzend lief sie über mein gesamtes Gesichtsfeld.
Ich wollte den Lenker loslassen und mir den Helm vom Kopf reißen. Abrupt bremste ich, geriet ins Schleudern und hörte laut hupende Fahrzeuge an mir vorbeiziehen. Irgendwie kam ich auf dem schmalen Seitenstreifen zum Stehen - keuchend, mit weit aufgerissenen Augen.
Ich hatte den Helm heruntergezogen, ihn auf den Asphalt fallen lassen und presste mir die Hände gegen die Schläfen. Der Schmerz verschwand mit einem Mal, als wäre er nie dagewesen.
Johannes , dachte ich.
Das war mein einziger Gedanke.
Johannes.
Ich ließ den Helm liegen, riss die Maschine herum, raste über den Grünstreifen, der die beiden Fahrtrichtungen voneinander trennte, schnitt mehrere Autos, die hinter mir Vollbremsungen ausführten, drehte den Gasgriff meiner BMW bis zum Anschlag.
Der Motor heulte auf, dann war da die Einfahrt zu unserer Privatstraße. Ich bremste kaum ab, schlitterte inmitten eines Hagels von Rollsplitt hinein, brachte die Maschine unter meine Kontrolle und preschte in halsbrecherischem Tempo zwischen den Betonblumenkübeln bis zu unserem Grundstück.
Ich drehte erneut am Gasgriff, meine Maschine gab ein wütendes Brüllen von sich, als sei sie lebendig und ich fuhr mit ihr bis hinauf auf die Terrasse. Dort sprang ich von der BMW, sie fiel um. Ich ließ sie mit laufendem Motor liegen.
Ich rannte hinein, quer durch unser Wohnzimmer, über den Gang und trat gegen die Tür von Johannes Zimmer. Die Tür flog auf. Sie krachte gegen die Wand.
Johannes saß in seinem Rollstuhl und hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht war friedlich, geradezu verträumt und er lächelte leise. Er war entspannt und strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus. Er war so wunderschön, wie er da saß, entrückt und eins mit sich selbst.
Was nicht zu dem Bild passte, war die Waffe.
Johannes hielt Asmodeos Revolver in der Hand. Er hatte die Mündung gegen seine Stirn gepresst und der breite Hahn war gespannt.
Er hörte mich nicht kommen. Er war mit seinen Gedanken nicht mehr auf dieser Welt. Als ich nur einen Schritt von ihm entfernt war, sah ich, wie sich sein Zeigefinger krümmte und er den Abzug betätigte.
Zu spät, ich kam zu spät.
Johannes starb. Hier und jetzt. Vor meinen Augen.
Während ich das Unfassbare zu begreifen versuchte, während ich versuchte, mich auf das vorzubereiten, was ich gleich mitansehen würde, hörte ich einen lauten langgezogenen Schrei. Es war mein Schrei und mit ihm verlangsamte sich die Zeit, bis sie schließlich fast stehen blieb.
Johannes hatte immer noch den Finger am Abzug und ich sah, wie sich der Schlagbolzen in Bewegung setzte, Richtung Trommel, um durch den Aufschlag die Patrone zu zünden, deren Kugel Johannes umbringen würde.
Ich streckte meine Hand aus und platzierte sie zwischen dem herabsausenden Schlagbolzen und der Patronenkammer.
Der Schlagbolzen traf.
Kein Schuss löste sich.
Erneut schrie ich auf, aber diesmal vor Schmerz. Der Bolzen hatte sich tief in meine Hand geschlagen. Blut quoll aus der Wunde.
Überrascht öffnete Johannes seine Augen.
„Warum hast du das gemacht, Lilith?“, fragte er mich und seine Stimme war sonderbar ruhig. „Warum hast du mich nicht gehen lassen?“
Niemals zuvor hatte ich etwas Schöneres gesehen, als seine Augen, die dunkel und endlos waren wie der Nachthimmel.
„Ich liebe dich“, antwortete ich. „Ich kann dich nicht gehen lassen.“
„Niemand kann das aufhalten, nicht einmal du“, war alles, was er sagte.
5
Ich war auf dem Weg ins Bad, als Asmodeo mit Mozart zurückkam. Asmodeo stürzte herein und blieb wie angewurzelt stehen, als er mich erblickte. Er sah auf meine blutende Hand und auf den Revolver. Die Waffe steckte tief zwischen Daumen und Zeigefinger in meinem Fleisch fest, weil sich der Schlagbolzen dort verhakt hatte. Ich hielt den Revolver mit meiner gesunden Hand, um das Gewicht der Waffe abzufangen, die äußerst schmerzhaft an der tiefen Verletzung riss.
Ich brauchte Asmodeo nichts zu erklären. Er kam zu mir, ergriff vorsichtig
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