Eine Andere Welt
sie recht lustig. Dieses dumme Mädchen, bei seiner ersten großen Chance vor der Fernsehkamera bereit, so etwas zu tun! ›Vorführung des Produkts mit einem Ausdruck von Zufriedenheit und ...‹«
Heather legte auf.
Wie sollte er sich ihr verständlich machen? In wütender Verzweiflung knirschte er mit den Zähnen und biß sich beinahe eine Zahnfüllung heraus. Er haßte dieses Gefühl, den dumpfen, ziehenden Schmerz. Konnte sie nicht begreifen, daß seine präzise Kenntnis aller Einzelheiten ihres Privatlebens etwas bedeutete? Wer konnte von diesen Dingen wissen? Offensichtlich doch nur jemand, der ihr längere Zeit sehr nahegestanden hae. Eine andere Erklärung gab es nicht, und doch hae sie sich eine so vollendete Erklärung zurechtgemacht, daß er nicht durchdringen konnte.
Abermals warf er eine Münze ein und wählte.
»Da bin ich wieder«, sagte er, als Heather endlich abnahm. »Auch das weiß ich über dich«, sagte er. »Du kannst ein Telefon nicht läuten lassen; darum hast du zehn private Anschlüsse, jeden für einen anderen besonderen Zweck.«
»Ich habe drei«, sagte Heather. »Also wissen Sie nicht alles.«
»Ich möchte bloß ...«
»Wieviel?«
»Hör endlich damit auf«, sagte er scharf. »Du kannst mich nicht kaufen, denn das ist nicht, was ich will. Ich will – hör mich an, Heather – ich will wissen, warum mich niemand kennt. Du vor allem. Und weil du ein Sechser bist, dachte ich, du häest vielleicht eine Erklärung dafür. Kannst du dich überhaupt nicht an mich erinnern? Sieh mich an!«
Sie spähte in den kleinen Bildschirm, eine Augenbraue skeptisch hochgezogen. »Sie sind jung, aber nicht sehr jung. Sie sehen gut aus, Ihre Stimme ist anmaßend, und Sie haben keine Hemmungen, mich in dieser Form zu belästigen. Sie sind nach Aussehen, Stimme und Benehmen genau das, was man sich unter einem Proletenfan vorstellt. Also, sind Sie nun zufrieden?«
»Ich bin in Schwierigkeiten«, sagte er. Es war völlig irrational von ihm, ihr das zu sagen, da sie keinerlei Erinnerung an ihn hae. Aber im Laufe der Jahre war es ihm zur Gewohnheit geworden, ihr seine Probleme vorzutragen und sich ihre Sorgen anzuhören, und die Gewohnheit war nicht gestorben. Die Gewohnheit ignorierte die reale Situation; sie lief in ihren eigenen Bahnen weiter.
»Das ist Ihr Pech«, sagte Heather.
»Niemand erinnert sich an mich«, sagte Jason. »Und ich habe keine Geburtsurkunde. Ich wurde nie geboren, nicht mal geboren! Also habe ich natürlich keine Ausweispapiere, bis auf einen gefälschten Satz, den ich für zweitausend Dollar von einem Polizeispitzel gekau habe, plus eintausend für die Vermilung. Ich trage die Papiere mit mir herum, aber es kann sein, daß Mikrosender eingebaut sind. Obwohl ich weiß, daß diese Gefahr besteht, muß ich die Ausweispapiere bei mir haben; du weißt, warum
– selbst wenn man ganz oben ist wie du, weiß man, wie diese Gesellscha funktioniert. Gestern hae ich noch dreißig Millionen Fernsehzuschauer, die aufgeschrien häen, wenn ich von einem Polizisten auch nur angerührt worden wäre. Heute habe ich die besten Aussichten, in einem ZAL zu landen.«
»Was ist ein ZAL?«
»Ein Zwangsarbeitslager«, stieß er hervor. »Die hinterlistige kleine Schlampe, die meine Papiere fälschte, brachte mich dazu, daß ich sie in ein heruntergekommenes italienisches Restaurant führte, und als wir dort saßen und redeten, warf sie sich plötzlich auf den Boden und kreischte. Sie ist psychotisch, eine frühere Insassin der Heilanstalt in Morningside, wie sie selbst zugab. Das kostete mich weitere dreihundert Dollar, und wer weiß, vielleicht hat sie schon die Polizei auf mich gehetzt.« Im Überschwang seines Selbstmitleids fügte er hinzu: »Wahrscheinlich wird dieses Gespräch schon abgehört.«
»O Go, nein!« rief Heather entsetzt und legte wieder auf.
Er hae keine passenden Münzen mehr, und so gab er auf. Er sah ein, daß es dumm von ihm gewesen war, von der Überwachung der Leitung zu sprechen. Das häe jeden zum Abbruch des Gesprächs veranlaßt. Er hae sich im Netz seiner eigenen Worte verfangen und seine Chance ruiniert.
Er stieß die Tür der Telefonzelle auf und stand wieder draußen auf dem belebten nächtlichen Gehsteig. Willkommen im Slum, dachte er bier, wo die Polizeispitzel wohnen. Wäre es einem anderen passiert, würde es komisch sein, aber es passiert mir. Nein, es ist weder so noch so komisch. Wenn jemand leidet, ist es nie komisch.
Ich wünschte, ich häe den Anruf und alles, was Kathy
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