Eine Andere Welt
anderen, die für sie nicht in der Wirklichkeit existierten? Er häe ihr manches erzählen können, wenn sie fähig gewesen wäre, zuzuhören. Aber sie konnte nicht zuhören. Was sie erführe, würde sie nur ängstigen.
»Was ist das für ein Gefühl«, fragte er, »mit so vielen berühmten Leuten geschlafen zu haben?«
Wieder blieb sie stehen. »Denken Sie, ich häe mit ihnen geschlafen, weil sie berühmt waren? Meinen Sie, ich sei nur hinter bekannten Namen her? Ist das Ihre wahre Meinung über mich?«
Wie ein Fliegenfänger, dachte er. Mit jedem Wort, das er sagte, geriet er tiefer hinein. Er konnte nicht gewinnen.
»Ich finde«, sagte er, ohne auf ihre Herausforderung einzugehen, »daß Sie ein interessantes Leben geführt haben. Sie sind ein interessanter Mensch.«
»Und wichtig«, fügte Kathy hinzu.
»Ja«, sagte er. »Auch wichtig. In mancher Hinsicht die wichtigste Person, der ich je begegnet bin. Es ist eine erregende Erfahrung.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Ja«, sagte er mit Nachdruck. Und in einer besonderen, verdrehten Weise war es tatsächlich die Wahrheit. Niemand, nicht einmal Heather, hae ihn jemals so vollständig eingewickelt. Er fand es unerträglich, aber er konnte nicht entkommen.
Ein rationales Reagieren war ihr gegenüber nicht möglich; ihr Irrationalismus verhinderte es. Die furchtbare Macht der Unlogik, dachte er. Der Archetypen. Sie wirkte aus den Tiefen eines kollektiven Unbewußten, das sie und ihn und alle anderen miteinander verknüpe. In einem Knoten, der niemals gelöst werden konnte, solange sie lebten.
Kein Wunder, dachte er, daß manche Leute, viele Leute sich nach dem Tod sehnen.
»Haben Sie Lust, sich einen Film anzusehen?« fragte Kathy.
»Kommt darauf an«, sagte er gleichgültig.
»Hier in der Nähe gibt es einen guten. Er spielt auf einem Planeten im System Proxima Centauri. Kapitän Kirk tri auf die Sendboten einer unsichtbaren ...«
»Den kenne ich«, sagte er. Und tatsächlich haen sie vor ungefähr einem Jahr Jeff Pomeroy, der seinerzeit den Kapitän Kirk gespielt hae, in seiner Schau gehabt. Sie haen sogar eine kurze Szene aus dem Film ablaufen lassen. Er hae ihn damals schon albern und langweilig gefunden und wußte, daß sein Urteil jetzt noch negativer ausfallen würde. Außerdem verabscheute er Jeff Pomeroy als Mensch wie als Schauspieler.
»Er hat Ihnen nicht gefallen?« fragte Kathy.
»Jeff Pomeroy«, sagte er, »ist meiner Meinung nach ein Arschloch. Er und seinesgleichen. Seine Nachahmer.«
»Er war eine Zeitlang in Morningside«, sagte Kathy. »Ich lernte ihn nicht näher kennen, aber er war dort.«
»Das kann ich mir gut vorstellen.«
»Wissen Sie, was er einmal zu mir sagte?«
»Wie ich ihn kenne«, meinte Jason, »würde ich sagen ...»
»Er sagte, ich sei die zahmste Person, die er je gesehen habe. Ist das nicht interessant? Dabei erlebte er mich in einem von meinen mystischen Zuständen – Sie wissen schon, wenn ich mich auf den Boden werfe und schreie. Und trotzdem sagte er das. Ich finde, der Mann hat ein sehr feines Wahrnehmungsvermögen. Meinen Sie nicht?«
»Ja«, sagte er.
»Wollen wir dann in mein Zimmer zurückgehen?« fragte Kathy. »Und rammeln wie die Kaninchen?«
Er grunzte ungläubig. Hae sie das wirklich gesagt? Er wandte den Kopf, um ihr Gesicht zu sehen, aber sie waren gerade in einem dunklen Straßenabschni, und er konnte ihre Züge nicht ausmachen. Jesus, dachte er, ich muß schleunigst aus dieser Situation heraus! Ich muß den Weg zurück in meine eigene Welt finden!
»Stört Sie meine Aufrichtigkeit?« fragte sie.
»Nein«, antwortete er grimmig. »Aufrichtigkeit stört mich nie. Ein reifer Mensch muß sie vertragen können. Alle Arten von Aufrichtigkeit«, fügte er hinzu. »Vor allem aber die Ihre.«
»Was ist meine?« fragte Kathy.
»Aufrichtige Aufrichtigkeit.«
»Dann verstehen Sie mich also doch.«
»Ja«, sagte er und nickte. »Das tue ich wirklich.«
»Und Sie sehen nicht auf mich herab? Sie betrachten mich nicht als eine kleine und wertlose Person, die tot sein sollte?«
»Nein«, erwiderte er. »Sie sind eine sehr wichtige Person. Und sehr aufrichtig dazu. Einer der aufrichtigsten und ehrlichsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Das ist mein voller Ernst; ich schwöre es.«
Sie klapste ihn freundlich auf den Arm. »Deswegen brauchen Sie nicht gleich Ihre Gefühle aufzupeitschen. Lassen Sie es natürlich kommen.«
»Es kommt natürlich«, versicherte er. »Wirklich.«
»Gut«, sagte Kathy, und es klang fröhlich. Anscheinend
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