Eine Andere Welt
weiß es nicht«, sagte er wahrheitsgemäß. Vielleicht, dachte er, wenn ich mit ihrem Bruder, dem Polizeigeneral, offener gewesen wäre – vielleicht häe er eine Erklärung gefunden. Schließlich war Felix Buckman ein Siebener. Was immer das bedeuten mochte.
Immerhin hae Buckman gleich in die richtige Richtung sondiert und einiges herausgebracht. Obendrein innerhalb sehr kurzer Zeit; während eines von einem Imbiß und einer Zigarre unterbrochenen nächtlichen Gesprächs.
»Dann sind Sie Jason Taverner. Der Mann, den McNulty festzunageln versuchte, der Mann, über den es nirgendwo Unterlagen gibt. Keine Geburtsurkunde, keine Examenszeugnisse, keine ...«
»Wie kommt es, daß Sie das alles wissen?« fragte Jason.
»Ich habe McNultys Meldung gelesen«, sagte sie heiter. »Im Büro meines Bruders. Es interessierte mich.«
»Warum fragen Sie mich dann, wer ich sei?«
Alys zuckte die Achseln. »Ich wollte hören, ob Sie es wissen. Ich hae McNultys Bericht gelesen, und diesmal wollte ich Ihre Seite hören. Die Gegenseite, wie es so schön heißt.«
»Ich kann dem, was McNulty weiß, nichts hinzufügen«, sagte Jason.
»Das ist nicht wahr.« Er merkte, daß sie ihn in genau der Manier verhörte, die ihr Bruder am Vorabend angewendet hae. Ein leiser, beiläufiger Tonfall, als ob bloß Nebensächliches erörtert würde, dazu die intensive Konzentration auf sein Gesicht, die anmutigen Gesten ihrer Arme und Hände, mit denen sie ihre Worte begleitete. Es war beinahe, als tanze sie mit sich selbst.
Er fand sie exotisch und aufregend, aber er hae genug von aufregenden Frauen, weiß Go. Wenigstens für die nächsten Tage.
»Na schön«, sagte er. »Ich weiß mehr.«
»Mehr als Sie Felix sagten?«
Er zögerte und beantwortete damit ihre Frage.
»Ja«, sagte Alys.
Er zuckte die Achseln. Es war offensichtlich.
»Ich will Ihnen was sagen«, sagte Alys munter. »Möchten Sie gern sehen, wie ein Polizeigeneral lebt? Sein Haus? Seine Burg?«
»Das wollen Sie mir zeigen?« fragte er ungläubig. »Und wenn er davon erfährt?« Er besann sich. Was wollte diese Frau von ihm? Wohin wollte sie ihn bringen? Er spürte Gefahr, wurde wachsam und mißtrauisch. Sein. Körper schien besser als sein Verstand zu wissen, daß er sich hier in acht nehmen mußte, mehr als zu irgendeiner anderen Zeit. »Sie haben Zutri zu seinem Haus?« fragte er, um sich selbst zu beruhigen. Er versuchte seiner Stimme einen natürlichen Klang zu geben, frei von Spannungen.
»Hören Sie«, sagte Alys auflachend, »ich lebe mit ihm. Wir sind Geschwister. Wir stehen uns sehr nahe. Blutschänderisch nahe.«
»Ich bin nicht daran interessiert, die Figur in einem abgekarteten Spiel zwischen Ihnen und Ihrem Bruder zu sein.«
»Abgekartetes Spiel? Zwischen Felix und mir?« Sie warf den Kopf zurück und lachte schallend. »Felix und ich könnten nicht mal beim Bemalen von Ostereiern zusammenarbeiten. Kommen Sie; fahren wir zum Haus. Wir haben dort eine ganze Menge interessanter Dinge. Mielalterliche hölzerne Schachspiele, altes englisches Porzellan. Schöne frühe Briefmarken, gedruckt von Perkins, Bacon & Co. und der National Bank Note Co. Interessieren Sie sich für seltene Briefmarken?«
»Nein«, sagte er.
»Für Waffen?«
Er zögerte. »Bis zu einem gewissen Grad.« Er erinnerte sich an seine eigene Pistole; es war das zweite Mal innerhalb vierundzwanzig Stunden, daß er Grund hae, daran zu denken.
Alys beobachtete ihn von der Seite und sagte plötzlich: »Wissen Sie, für einen kleinen Mann sehen Sie nicht übel aus. Sie sind zwar älter, als ich Männer mag, aber nicht sehr viel. Sie sind ein Sechser, nicht wahr?«
Er nickte.
»Nun, wie ist es?« fragte Alys. »Wollen Sie die Burg eines Polizeigenerals sehen?«
»Also gut«, sagte Jason. Sie würden ihn ohnehin finden, wann immer sie ihn wollten, wo er auch hinginge. Mit oder ohne Signalgeber im Ärmel.
»Eins möchte ich von Anfang an klarstellen«, sagte Alys, als sie durch den Verkehr steuerte. Sie warf ihm einen Seitenblick zu, um sich zu vergewissern, daß er zuhörte. »Machen Sie mir keine sexuellen Anträge. Wenn Sie das tun, bringe ich Sie um.« Sie klope an ihren Gürtel, und er sah eine schmale Pistole im Bund ihrer schwarzledernen Hose stecken; das Metall schimmerte bläulich und schwarz in der Morgensonne.
»Sie können unbesorgt sein«, sagte er mit einigem Unbehagen. Die Kombination von Leder und Stahl, die ihre Kleidung ausmachte, gefiel ihm nicht; es deutete unübersehbar auf fetischistische
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