Eine Andere Welt
Neigungen hin, für die er noch nie etwas übrig gehabt hae. Und nun dieses Ultimatum. Wo lagen ihre sexuellen Interessen? Bei anderen Lesbierinnen? War es das?
In Antwort auf seine unausgesprochene Frage sagte Alys ruhig: »Meine Libido ist ganz auf Felix fixiert.«
»Auf Ihren Bruder?« Ihn fröstelte. »Wie?«
»Wir leben seit fünf Jahren in einer inzestuösen Beziehung«, sagte Alys, während sie den Wagen geschickt durch den dichten Stadtverkehr manövrierte. »Wir haben ein Kind, es ist drei Jahre alt. Es wird von einer Haushälterin und Kinderschwester in Key West, Florida, aufgezogen. Es ist ein Junge, und er heißt Barney.«
»Und das erzählen Sie mir ?« sagte er verblü. »Jemandem, den Sie überhaupt nicht kennen?«
»Oh, ich kenne Sie sehr gut, Mr. Taverner«, sagte Alys. Sie jagte den Wagen durch eine weit geschwungene Kurve und auf das breite Band einer Schnellstraße. Hier war der Verkehr weniger dicht. »Seit Jahren bin ich eine Verehrerin von Ihnen, das heißt, von Ihrer Dienstagabendschau. Und ich habe Plaen von Ihnen, und einmal hörte ich Sie im Orchideensaal des St.-Francis-Hotels in San Francisco singen.« Sie warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu. »Felix und ich, wir sind beide Sammler ... und zu den Dingen, die ich sammle, gehören die Plaen von Jason Taverner. Im Lauf der Jahre habe ich alle neun zusammengebracht. «
»Zehn«, sagte Jason, heiser vor Erregung. »Ich habe zehn Langspielplaen gemacht. Die letzten paar mit Projektionsspuren für die Bildwiedergabe.«
»Dann ist mir eine entgangen«, sagte Alys. »Hier. Schauen Sie auf den Rücksitz.«
Er drehte sich halb herum und sah sein frühestes Album auf der rückwärtigen Sitzbank liegen: Taverner und der Blues. »Ja«, sagte er, angelte mühsam über die Rückenlehne, bekam die Plae zu fassen und hielt sie wie eine Kostbarkeit auf dem Schoß.
»Da liegt noch eine«, sagte Alys. »Sie ist mir die liebste von allen.«
Er wiederholte die Verrenkung und sah eine mit Eselsohren behaete Plaenhülle von Ein heiterer Abend mit Taverner. »Ja«, sagte er. »Das ist die beste Plae, die ich je aufgenommen habe.«
»Sehen Sie?« sagte Alys. Sie zog den Wagen durch die spiralige Kurve einer Ausfahrt, und Jason erblickte weiter voraus zu Füßen der Hügelkee eine Anzahl herrschalicher Landsitze inmien von Baumgruppen und Rasenflächen. »Wir sind gleich da.«
19
S
ie hielten zwischen einer weitläufigen Rasenfläche und dem Haus. Das Gebäude fiel Jason kaum auf, obwohl es groß war: zweistöckig, mit rotbraunem Ziegeldach, weißgetünchten Wänden und schmiedeeisernen Fenstergiern und Balkongelän
dern im spanischen Stil. Ein großes Haus, umgeben von schönen alten Eichen; das Haus war in die Landscha gebaut, ohne sie zu zerstören. Es verschmolz mit ihr und schien Teil der Bäume und Grünflächen, eine Erweiterung in den Bereich des von Menschen Gemachten.
Alys stieg aus, zog den Zündschlüssel ab und nickte ihm zu. »Lassen Sie die Plaen im Wagen und kommen Sie mit«, sagte sie und klimperte ungeduldig mit dem Schlüsselbund.
Widerwillig legte er die Plaenalben wieder auf den Rücksitz und folgte ihr. Er mußte eilen, um mit ihr Schri zu halten; die langen, von schwarzem Leder umhüllten Beine stelzten vor ihm her zum großen Eingangstor des Hauses.
»Haben Sie die Mauer bemerkt, die das ganze Grundstück umgibt?« sagte sie. »In die Mauerkrone haben wir überall Flaschenscherben zementieren lassen. Um Banditen abzuschrecken ... heutzutage, in diesem Zeitalter. Das Haus gehörte einmal dem berühmten Westerndarsteller Ernie Till.« Sie drückte einen Knopf, und ein braununiformierter Privatpolizist erschien, musterte sie, nickte und ließ sie ein.
»Was wissen Sie?« sagte Jason zu Alys. »Sie wissen, daß ich ...«
»Daß Sie berühmt sind«, sagte Alys, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. »Das weiß ich seit Jahren.«
»Aber dann sind Sie gewesen, wo ich war. Wo ich immer war. Und das ist nicht hier.«
Alys nahm ihn beim Arm und führte ihn durch einen weißgetünchten Korridor und dann fünf Ziegelstufen abwärts in ein tiefer gelegenes Wohnzimmer mit Blick in den grünen und mit Blütenkaskaden verhangenen Innenhof. Alles war für diese Zeit altertümlich, aber schön.
Für Jason blieben es jedoch flüchtige, kaum wahrgenommene Eindrücke. Er wollte mit ihr reden und in Erfahrung bringen, was sie wußte, und woher. Und was es bedeutete.
»Erinnern Sie sich an diesen Raum?« fragte Alys.
Er verneinte.
»Sie sollten sich
Weitere Kostenlose Bücher