Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
daß im Peyote ein Geist ist«, sagte Benigno.
»Ich habe Peyote auf den Feldern gesehen, aber ich habe nie Geister oder ähnliches gesehen«, fügte Bajea hinzu. »Mescalito ist, vielleicht, wie ein Geist«, erklärte Don Juan. »Aber das, was er ist, wird einem nicht klar, solange man nichts über ihn weiß. Esquere beklagt sich, daß ich davon seit Jahren rede. Na schön. Aber es ist nicht meine Schuld, daß ihr es nicht begreift. Bajea sagt, daß jeder, der es nimmt, wie ein Tier wird. Nun, ich sehe das anders. Für mich leben die, die glauben, über den Tieren zu stehen, schlimmer als die Tiere. Seht meinen Enkel hier. Ununterbrochen arbeitet er. Ich glaube, er lebt, um zu arbeiten, wie ein Maultier. Das einzige, worin er sich von den Tieren unterscheidet, ist, daß er sich besäuft.«
Alle lachten. Victor, ein offenbar noch in der Pubertät steckender Jüngling, lachte mit seiner hellen Stimme lauter als alle anderen.
Eligio, ein junger Bauer, hatte bis dahin kein einziges Wort gesagt. Er saß rechts von mir auf dem Boden und lehnte sich gegen ein paar Säcke Kunstdünger, die im Haus gestapelt wurden, um sie vor dem Regen zu schützen. Er war einer von Lucios Freunden aus der Kindheit, sah kräftig aus und war, obwohl kleiner als Lucio, stämmiger und besser gebaut als er. Eligio schien über Don Juans Worte nachzudenken. Bajea wollte gerade etwas sagen, aber Eligio unterbrach ihn: »Wie kann Peyote all dies ändern?« fragte er. »Ich habe den Eindruck, der Mensch ist geboren, um ein Leben lang zu arbeiten, genau wie die Maultiere.«
»Mescalito ändert alles«, sagte Don Juan, »und trotzdem müssen wir arbeiten wie alle andern, wie die Maultiere. Ich habe gesagt, daß in Mescalito ein Geist steckt, weil das, was bei einem Menschen eine Veränderung bewirken kann, so etwas wie ein Geist ist. Ein Geist, den wir sehen und anfassen können, ein Geist, der uns verändert, manchmal sogar gegen unseren Willen.«
»Peyote bringt dich um den Verstand«, sagte Genaro, »und dann glaubst du natürlich, er hätte dich verändert, nicht wahr?«
»Wie kann er uns verändern?« wollte Eligio wissen. »Er lehrt uns die richtige Lebensweise«, sagte Don Juan. »Denen, die er kennt, hilft er. Er beschützt sie. Das Leben, das ihr Burschen führt, ist überhaupt kein Leben. Ihr kennt nicht das Glück, die Dinge bewußt zu tun. Ihr habt keinen Beschützer!«
»Was willst du damit sagen?« fragte Genaro empört. »Natürlich haben wir einen. Unsern Herrn Jesus Christus und seine Mutter, die Jungfrau, und die kleine Jungfrau von Guadalupe. Sind das nicht unsere Beschützer?«
»Nette Bande von Beschützern«, sagte Don Juan belustigt. »Haben sie euch ein besseres Leben gelehrt?«
»Das kommt nur, weil die Leute nicht auf sie hören«, wandte Genaro ein, »und weil sie nur dem Teufel gehorchen.«
»Wenn sie wirkliche Beschützer wären, dann würden sie euch zwingen, auf sie zu hören«, sagte Don Juan. »Wenn Mescalito dein Beschützer ist, dann mußt du auf ihn hören, ob du willst oder nicht, weil du ihn sehen kannst, und du mußt befolgen, was er sagt. Er zwingt dich, ihm voller Achtung zu begegnen. Anders, als ihr Burschen mit euren Beschützern normalerweise umgeht.«
»Was willst du damit sagen, Juan?« fragte Esquere. »Ich meine, wenn ihr zu euren Beschützern geht, dann heißt das, daß einer von euch Geige spielen muß und ein Tänzer muß seine Gamaschen und seine Maske umbinden, die Rasseln in die Hand nehmen und tanzen, während alle anderen sich besaufen. Du, Benigno, warst einmal Tänzer, erzähl uns doch davon.«
»Ich hab's nach drei Jahren aufgegeben«, sagte Benigno, »das ist harte Arbeit.«
»Frag doch Lucio«, sagte Esquere spöttisch. »Er hat es schon nach einer Woche aufgegeben!«
Alle lachten, bis auf Don Juan. Lucio lächelte, er schien verlegen und goß einen gewaltigen Schluck bacanora in sich hinein. »Es ist nicht schwer, es ist sinnlos«, sagte Don Juan. »Frag Valencio den Tänzer, ob ihm das Tanzen gefällt. Es gefällt ihm nicht! Er hat sich daran gewöhnt, das ist alles. Ich sehe ihn seit Jahren tanzen, und jedesmal sehe ich, wie er dieselben Bewegungen schlecht ausführt. Er ist nicht stolz auf seine Kunst, außer, wenn er darüber spricht. Er liebt sie nicht, darum wiederholt er Jahr für Jahr dieselben Schritte. Was anfangs an seiner Tanzerei schlecht war, ist jetzt zur Gewohnheit geworden. Er sieht es nicht mal mehr.«
»Man hat ihm beigebracht, so zu tanzen«, sagte Eligo.
Weitere Kostenlose Bücher