Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
ihre geringschätzige Meinung zu verbergen. Ich war sehr verlegen. Mir wurde klar, wie wenig ich es vermochte, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich sprach noch eine Weile weiter, aber ich hatte den Schwung verloren und wiederholte lediglich, was Don Juan schon gesagt hatte. Don Juan kam mir zu Hilfe und fragte aufmunternd: »Du hast nicht nach einem Beschützer gesucht, als du zum erstenmal zu Mescalito kamst, nicht wahr?« Ich erzählte ihnen, ich hätte nicht gewußt, daß Mescalito ein Beschützer sein konnte, und sei nur von meiner Neugier und dem starken Wunsch, ihn kennenzulernen, getrieben worden. Don Juan bestätigte, daß meine Absichten einwandfrei gewesen seien und sagte, daß Mescalito deshalb eine so positive Wirkung auf mich gehabt habe.
»Aber du hast seinetwegen trotzdem die Gegend vollgekotzt und herumgepißt, nicht wahr?« beharrte Genaro. Ich bestätigte, daß es tatsächlich so gewesen sei. Alle lachten gezwungen. Ich hatte das Gefühl, daß sie mich noch mehr verachteten. Sie hatten offenbar das Interesse verloren, außer Eligio, der starrte mich an. »Was hast du gesehen?« fragte er.
Don Juan drängte mich, ihnen meine Erfahrung in allen, oder beinah allen bemerkenswerten Einzelheiten zu erzählen, und so beschrieb ich ihnen den Ablauf und die Form meiner Wahrnehmungen. Als ich geendet hatte, bemerkte Lucio: »Wenn Peyote so unheimlich ist, dann bin ich froh, daß ich's nie genommen habe.«
»Es ist genau wie ich sagte«, wandte sich Genaro an Bajea. »Dieses Zeug macht dich verrückt.«
»Aber Carlos ist nicht verrückt. Wie erklärt ihr euch das?« fragte Don Juan Genaro. »Woher sollen wir wissen, ob er verrückt ist?« entgegnete Genaro. Alle brachen in Gelächter aus, auch Don Juan. »Hattest du Angst?« fragte Benigno. »Ja, sicher.«
»Warum hast du's dann getan?« fragte Benigno. »Er sagte doch, weil er es wissen wollte«, antwortete Lucio an meiner Stelle. »Ich glaube, Carlos wird wie mein Großvater. Beide behaupten, daß sie wissen wollen. Aber keiner von ihnen weiß, was zum Teufel sie wissen wollen.«
»Es ist unmöglich, dieses Wissen zu erklären«, sagte Don Juan zu Eligio, »weil es für jeden Menschen verschieden ist. Nur eines ist uns allen gemeinsam, nämlich daß Mescalito seine Geheimnisse jedem Menschen individuell enthüllt. Da ich weiß, wie Genaro denkt, würde ich ihm nicht empfehlen, Mescalito kennenzulernen. Aber trotz meiner Worte oder seiner Einstellung könnte Mescalito eine absolut positive Wirkung auf ihn haben. Aber nur er kann dies herausfinden, und das ist genau das Wissen, von dem ich spreche.« Don Juan stand auf. »Zeit, nach Hause zu gehen«, sagte er. »Lucio ist betrunken und Victor schläft.«
Zwei Tage später, am 6. September, kamen Lucio, Benigno und Eligio zu mir, um mich zur Jagd abzuholen. Eine Weile standen sie schweigend da, während ich an meinen Aufzeichnungen arbeitete. Dann lachte Benigno höflich, als wolle er ankündigen, daß er etwas Wichtiges zu sagen habe. Nach einem einleitenden, verlegenen Schweigen lachte er nochmals und sagte: »Lucio sagt, er will Peyote nehmen.«
»Möchtest du das wirklich?« fragte ich. Benigno sprudelte vor Lachen. »Lucio sagt, er will Peyote essen, wenn du ihm ein Motorrad kaufst.« Lucio und Benigno sahen sich an und platzten heraus. »Wie teuer ist ein Motorrad in den Vereinigten Staaten?« fragte Lucio.
»Wahrscheinlich kann man für 100 Dollar eins bekommen«, sagte ich.
»Dort drüben ist das nicht viel Geld, oder? Es wäre doch für dich keine Schwierigkeit, ihm eins zu kaufen, nicht wahr?« fragte Benigno.
»Da wollen wir zuerst deinen Großvater fragen«, sagte ich zu Lucio.
»Nein, nein«, protestierte er. »Erzähl ihm nichts davon. Er wird alles verderben. Er ist ein komischer Kauz. Und außerdem ist er alt und schwachsinnig und weiß nicht, was er tut.«
»Er war mal ein wirklicher Zauberer«, fügte Benigno hinzu. »Ich meine, ein echter. Meine Leute sagen, er war der Beste. Aber er hat sich mit Peyote eingelassen und ist ein Niemand geworden. Und jetzt ist er zu alt.«
»Und immer wieder kommt er mit diesen blödsinnigen Geschichten über Peyote«, sagte Lucio.
»Dieses Peyote ist der reine Quatsch«, sagte Benigno. »Wir haben es nämlich mal selbst probiert. Lucio bekam von seinem Großvater einen ganzen Sack voll. Eines Abends, als wir in die Stadt gingen, haben wir es gekaut. Mir hat dieses Teufelszeug die Schnauze zerfetzt und es schmeckte wie die Hölle!«
»Habt ihr
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