Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
»Auch ich war einmal Tänzer in der Stadt Torim. Ich weiß, daß man so tanzen muß, wie sie es dir beibringen.«
»Valencio ist sowieso nicht der beste Tänzer«, sagte Esquere. »Da gibt es ganz andere. Was hältst du von Sacateca?«
»Sacateca ist ein Wissender, er ist mit euch gar nicht zu vergleichen«, sagte Don Juan hart. »Er tanzt, weil es seinem Wesen entspricht. Ich wollte nichts anderes sagen, als daß ihr, die ihr keine Tänzer seid, kein Vergnügen daran habt. Vielleicht würde es einigen von euch Spaß machen, wenn die Tänze gut aufgeführt würden. Von euch verstehen doch nur wenige etwas vom Tanzen. Daher bleibt euch nur ein sehr dürftiges Vergnügen. Das ist's ja, warum ihr Burschen alle Säufer seid. Seht euch doch meinen Enkel an!«
»Laß das, Großvater!« protestierte Lucio. »Er ist weder faul noch dumm«, fuhr Don Juan fort, »aber was tut er, außer trinken?«
»Er kauft sich Lederjacken!« warf Genaro ein, und die ganze Runde brüllte vor Lachen.
Lucio goß noch einen bacanora hinunter.
»Und wie soll Peyote das ändern?« fragte Eligio. »Wenn Lucio den Beschützer suchen würde«, sagte Don Juan, »dann würde das sein ganzes Leben verändern. Ich weiß nicht genau wie, aber ich bin sicher, daß es anders würde.«
»Er würde aufhören zu trinken, meinst du das?« wollte Eligio wissen.
»Vielleicht. Er braucht etwas anderes als nur Tequila, damit sein Leben ihn befriedigt. Und dies, was es auch sei, könnte ihm der Beschützer geben.«
»Dann muß Peyote doch sehr gut schmecken«, sagte Eligio. »Das habe ich nicht behauptet«, sagte Don Juan. »Aber wie zum Teufel soll man es genießen, wenn es nicht gut schmeckt?« sagte Eligo.
»Es läßt uns das Leben besser genießen«, sagte Don Juan. »Aber wenn es nicht gut schmeckt, wie soll es uns dann helfen, unser Leben zu genießen?« beharrte Eligio. »Das ist doch Unsinn.«
»Durchaus nicht«, sagte Genaro mit Überzeugung. »Peyote macht dich verrückt, und folglich glaubst du, daß das Leben dir wer weiß wieviel Spaß macht, ganz egal, was du tust.« Wir lachten alle.
»Es macht durchaus Sinn«, fuhr Don Juan unbeirrt fort, »wenn ihr bedenkt, wie wenig wir wissen und wieviel es zu sehen gibt. Der Schnaps ist's, der die Leute verrückt macht. Er verwischt die Bilder. Mescalito dagegen läßt alles scharf erscheinen. Er hilft dir, gut zu sehen, sehr gut sogar!« Lucio und Benigno sahen einander an und grinsten, als hörten sie diese Geschichte nicht zum erstenmal. Genaro und Esquere wurden immer ungeduldiger und begannen gleichzeitig zu sprechen. Victors Lachen schwang sich über alle anderen Stimmen. Der einzige, der Interesse zeigte, war Eligio. »Wie kann Peyote all das tun?« fragte er. »In erster Linie mußt du ihn kennenlemen wollen«, erklärte Don Juan, »ich glaube wirklich, das ist bei weitem das wichtigste. Dann mußt du zu ihm geführt werden, und dann mußt du ihm viele Male begegnen, bevor du behaupten kannst, ihn zu kennen.«
»Und was geschieht dann?« fragte Eligio.
Genaro warf ein: »Dann kannst du auf dem Dach rumrutschen, während dein Arsch am Boden bleibt.«
Brüllendes Gelächter.
»Was danach passiert, hängt ganz von dir ab«, fuhr Don Juan fort, ohne die Beherrschung zu verlieren. »Du mußt ohne Angst zu ihm kommen, und er wird dich Schritt für Schritt lehren, wie du ein besseres Leben führen kannst.« Dann trat eine lange Pause ein. Die Männer schienen müde zu sein. Die Flasche war leer. Sichtlich widerstrebend, öffnete Lucio noch eine.
»Ist Peyote auch Carlos' Beschützer?« fragte Eligio in scherzhaftem Ton.
»Was weiß ich?« sagte Don Juan. »Er hat es dreimal genommen, also frag ihn selbst.«
Alle schauten mich neugierig an, und Eligio fragte: »Hast du's wirklich genommen?«
»Ja, das habe ich.«
Don Juan hatte offenbar bei seinen Zuhörern einen Punkt gewonnen. Entweder waren sie neugierig, etwas über mein Erlebnis zu hören, oder sie waren zu höflich, mich auszulachen.
»Hat dir dein Mund nicht wehgetan?« fragte Lucio. »Und wie, außerdem schmeckte es auch fürchterlich.«
»Warum hast du es dann genommen?« fragte Benigno. Ich begann ihnen ausführlich zu erklären, daß Don Juans Wissen über Peyote für einen westlichen Menschen eines der faszinierendsten Dinge ist, die es gibt. Ich sagte, daß alles, was er darüber gesagt hatte, richtig sei und daß sich jeder von uns selbst von dieser Wahrheit überzeugen könne. Ich bemerkte, wie alle lächelten, als suchten sie
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