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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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es runtergeschluckt?« fragte ich. »Wir haben es ausgespuckt«, sagte Lucio, »und dann den verdammten Sack weggeworfen.«
    Beide hielten die ganze Angelegenheit für sehr komisch. Eligio hatte währenddessen kein Wort gesagt. Er war in sich gekehrt, wie immer. Er lachte nicht einmal. »Würdest du es probieren, Eligio?« fragte ich.
    »Nein. Niemals. Nicht mal für ein Motorrad.« Lucio und Benigno fanden diese Bemerkung sehr komisch und brüllten wieder los.
    »Immerhin«, fuhr Eligio fort, »muß ich zugeben, daß Don Juan mir ein Rätsel ist.«
»Mein Großvater ist zu alt, um irgend etwas zu wissen«, sagte Lucio überzeugt. »Ja, er ist zu alt«, wiederholte Benigno.
    Mir kam die Meinung der beiden jungen Männer über Don Juan kindisch und unbegründet vor. Ich hielt es für meine Pflicht, seine Eigenheiten zu verteidigen und sagte ihnen, daß Don Juan meiner Überzeugung nach immer noch, wie früher, ein großer Zauberer sei, vielleicht der größte von allen. Ich sagte, ich hätte das Gefühl, daß etwas Besonderes an ihm sei, etwas Außerordentliches. Ich gab ihnen zu bedenken, daß er über siebzig war und immer noch mehr Energie und Kraft hatte als wir alle zusammen. Ich forderte die jungen Männer auf, sich selbst davon zu überzeugen und einmal zu versuchen, ihn zu überrumpeln.
    »Man kann meinen Großvater nicht überrumpeln«, sagte Lucio stolz. »Er ist ein brujo.«
    Ich erinnerte sie daran, daß sie behauptet hatten, er sei zu alt und schwachsinnig, und wies darauf hin, daß ein Schwachsinniger wohl kaum wisse, was um ihn herum vorgeht. Ich betonte, daß mich seine Vitalität und Wachsamkeit immer wieder in Erstaunen versetzten.
    »Niemand kann einen brujo überrumpeln, und wenn er noch HO alt ist«, sagte Benigno mit Bestimmtheit. »Natürlich kann man ihn zu mehreren überfallen, während er schläft. So ist es einem Mann namens Cevicas ergangen. Die Leute hatten genug von seiner bösen Zauberei und brachten ihn um.« Ich bat sie, mir die Einzelheiten dieses Vorfalls zu erzählen, aber sie sagten, das sei noch vor ihrer Zeit oder in ihrer Kindheit gewesen. Eligio fügte hinzu, daß die Leute insgeheim glaubten, Cevicas sei nur ein Narr gewesen, und daß einem wirklichen Zauberer niemand etwas zuleide tun könne. Ich versuchte sie noch weiter nach ihrer Meinung über Zauberer auszufragen. Sie schienen nicht sehr an diesem Thema interessiert. Außerdem wollten sie aufbrechen und das 22er Gewehr ausprobieren, das ich mitgebracht hatte. Wir schwiegen eine Weile, während wir uns dem dichten Chaparral näherten, bis Eligio, der an der Spitze ging, sich zu mir umdrehte und sagte: »Vielleicht sind wir die Verrückten. Vielleicht hat Don Juan recht. Schau, was wir für ein Leben führen.« Lucio und Benigno protestierten. Ich versuchte zu vermitteln. Ich pflichtete Eligio bei und erzählte ihnen, ich selbst hätte bemerkt, daß meine Lebensweise irgendwie falsch war. Benigno meinte, ich hätte wirklich keinen Grund, über mein Leben zu klagen, denn ich hatte doch Geld und ein Auto. Ich erwiderte, daß ich genausogut behaupten könne, daß es ihnen viel besser gehe, da jeder von ihnen ein Stück Land besaß. Sie antworteten einstimmig, daß ihr Land in Wirklichkeit der Staatsbank gehöre. Ich entgegnete, daß auch mein Auto nicht mir, sondern einer Bank in Kalifornien gehöre, und daß mein Leben nur anders, aber keineswegs besser sei als ihres. Wir waren bereits im dichten Buschwerk. Rotwild oder Wildschweine fanden wir nicht, aber wir erlegten drei Eselhasen. Auf dem Rückweg hielten wir bei Lucios Haus und er verkündete, daß seine Frau ein Rabbit-Stew kochen werde. Benigno ging in den Laden, um eine Flasche Tequila und für uns ein paar Limonaden zu besorgen. Als er zurückkam, war er in Don Juans Begleitung. »Hast du meinen Großvater beim Bierholen im Laden getroffen?« fragte Lucio lachend.
    »Mich hat man zu dieser Runde nicht eingeladen«, sagte Don Juan. »Ich wollte nur vorbeischauen, um Carlos zu fragen, ob er nach Hermosillo fährt.«
    Ich sagte, ich hätte vor, am nächsten Tag aufzubrechen, und während wir miteinander sprachen, verteilte Benigno die Flaschen. Eligio gab seine Don Juan, und da es bei den Yaquis als tödliche Beleidigung gilt, etwas, und sei es nur aus Höflichkeit, zurückzuweisen, nahm Don Juan sie schweigend an. Ich gab meine Flasche Eligio, und er mußte sie nehmen. Daraufhin reichte Benigno mir die seine. Aber Lucio, der offenbar dieses ganze Musterbeispiel von

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