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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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ihn mitbringen würde. Einen Augenblick schien uns der Gesprächsstoff auszugehen. Don Juan wandte sich an mich und sagte laut: »Warum erzählst du den Burschen hier nichts über deine Begegnungen mit Mescalito? Ich glaube, das wäre viel interessanter als dieses alberne Geschwätz über das, was passieren könnte, wenn die amerikanische Gesellschaft nach Sonora kommt.«
»Ist Mescalito Peyote, Großvater?« fragte Lucio neugierig. »Manche nennen ihn so«, sagte Don Juan trocken. »Ich nenne ihn lieber Mescalito.«
    »Dieses verfluchte Zeug führt zum Wahnsinn«, sagte Genaro, ein großer, dürrer Mann in mittleren Jahren. »Ich glaube, es ist dumm, zu behaupten, daß Mescalito zum Wahnsinn führt«, sagte Don Juan. »Wäre das der Fall, dann würde Carlos im Augenblick in einer Zwangsjacke stecken, statt hier zusitzen und mit euch zu reden. Er hat ihn genommen, und schaut ihn an: Er ist in Ordnung.« Bajea lächelte und antwortete vorsichtig: »Wer weiß?« Alle lachten.
    »Dann schaut mich an«, sagte Don Juan. »Ich kenne Mescalito fast mein ganzes Leben, und er hat mir nie geschadet.« Die Männer lachten nicht, aber es war offenbar, daß sie ihn nicht ernst nahmen.
    »Andererseits«, fuhr Don Juan fort, »ist es wahr, daß Mescalito die Leute verrückt macht, wie ihr behauptet, aber nur dann, wenn sie zu ihm kommen, ohne zu wissen was sie tun.« Esquere, ein alter Mann, etwa in Don Juans Alter, kicherte leise und wiegte seinen Kopf. »Was verstehst du unter >wissen<, Juan? Als ich dich letztes Mal traf, hast du auch davon gesprochen.«
    »Die Leute werden wirklich wahnsinnig, wenn sie dieses Peyotezeug nehmen«, beharrte Genaro. »Ich habe mal gesehen, wie die Huichol-Indianer es aßen. Sie benahmen sich, als hätten sie die Tollwut. Sie tobten und kotzten und pißten in der Gegend herum. Man kann epileptisch werden, wenn man dieses Teufelszeug nimmt. Das hat mir Sr. Salas, der Verwaltungsingenieur, erzählt. Und ihr wißt ja, Epilepsie behält man fürs Leben.«
    »Schlimmer als die Tiere«, fügte Bajea feierlich hinzu. »Bei den Huichol-lndianern hast du nur das gesehen, was du sehen wolltest, Genaro«, sagte Don Juan. »Auf jeden Fall hast du dir nie die Mühe gemacht, sie zu fragen, wie es ist, wenn man Mescalitos Bekanntschaft macht. Soviel ich weiß, ist noch niemand durch Mescalito epileptisch geworden. Der Verwaltungsingenieur ist ein Yori, und ich bezweifle, daß ein Yori von diesen Dingen etwas versteht. Du willst doch nicht etwa behaupten, daß all die Tausende, die Mescalito kennen, verrückt sind? Oder?«
»Sie müssen verrückt sein, oder wenigstens beinah, sonst täten sie so was nicht«, antwortete Genaro.
    »Aber wenn all die Tausende Menschen auf einmal verrückt wären, wer würde dann ihre Arbeit tun? Wie könnten sie am Leben bleiben?« fragte Don Juan. »Macario, der von der >anderen Seite< kommt« - den USA -, »erzählte mir, daß jeder, der es dort nimmt, sein Leben lang gekennzeichnet ist«, sagte Esquere. »Macario lügt, wenn er das behauptet«, sagte Don Juan. »Ich bin sicher, daß er nicht weiß, wovon er spricht.«
»Er lügt wirklich ganz schön«, sagte Benigno. »Wer ist Macario?« fragte ich.
    »Er ist ein Yaqui-Indianer, der hier wohnt«, sagte Lucio. »Er behauptet, daß er aus Arizona stammt und während des Krieges in Europa gewesen ist. Er erzählt alle möglichen Geschichten.«
    »Er behauptet sogar, er sei Oberst gewesen«, sagte Benigno. Alle lachten, und die Unterhaltung drehte sich einige Zeit um Macarios unglaubliche Geschichten, aber Don Juan kehrte wieder zum Thema Mescalito zurück.
    »Wenn ihr alle wißt, daß Macario ein Lügner ist, wie könnt ihr ihm dann glauben, wenn er über Mescalito spricht?«
»Meinst du Peyote, Großvater?« fragte Lucio, als fiele es ihm schwer, den Ausdruck zu verstehen. »Ja, verdammt noch mal!« Don Juan sprach in scharfem, knappem Ton. Lucio fuhr erschrocken zurück, und einen Augenblick hatte ich das Gefühl, daß alle Angst hatten. Dann lächelte Don Juan breit und fuhr mit freundlicher Stimme fort.
    »Seht ihr denn nicht, daß Macario nicht weiß, worüber er redet? Begreift ihr denn nicht, daß man, statt über Mescalito zu sprechen, wissen muß?«
»Da haben wir's wieder. Was zum Teufel bedeutet dieses Wissen? Du bist schlimmer als Macario. Er sagt wenigstens, was er denkt, egal ob er etwas davon versteht oder nicht. Jahrelang höre ich dich jetzt sagen, wir müssen wissen. Was müssen wir wissen?«
    »Don Juan behauptet,

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